Romane

Schicksalsspielerei

Die Nimmermüden aus München, Hans Stempel und Martin Ripkens, haben sich wieder zu Wort gemeldet. Sie haben sich einen munteren, ermunternden Spaß gegönnt. Sie haben die Erzählung "Liebe vielleicht" geschrieben. Stempel und Ripkens, die sich darin gefallen, Deutschlands beständigstes Männerpaar zu sein, wollten sich unterhalten. Sie haben unterhalten. "Liebe vielleicht" ist anspruchsvoll wie die Autoren. Ist anspruchsvolle Unterhaltungslektüre für einen angenehmen Nachmittag.

Als Prosaisten profitieren Stempel und Ripkens von ihrer Freude am Film und ihrer Liebe zur Literatur. Ihr Sinn für Szenen und Handlungsfolgen schützen den Text vor Trivialität. Die Autoren steigern und steigern die Spannung des Zwei-Personen-Stücks von Kapitel zu Kapitel und scheuen schließlich nicht einen melodramatischen Schluss. Der kann in Zweifel gezogen werden. Der kann als Spiel im Spiel verstanden werden. Der kann als missraten zurückgewiesen werden. Eines ist "Liebe vielleicht" immer: eine schöne Schicksalsspielerei.

Beteiligte sind Boris, der ein flottes Mundwerk hat und, in spätjugendlicher Reife, gelegentlich verblüffende Reife zeigt. Robert, ein zögerlich-zurückhaltend, ältlich wirkender Mann. Was den so unterschiedlich scheinenden Männern im Laufe von 24 Stunden geschieht, sind drei zufällige Begegnungen, die sie näher und näher bringt. Allzu nah, wenn man den Schluss denkt, der hier nicht vorweggenommen werden soll. "Bislang habe ich mich eigentlich nie für ältere Männer interessiert", sagt etwas gequält der zwanzigjährige Ich-Erzähler Boris, als er erstmals auf den Robert, im grauen Anzug, aufmerksam wird. Robert, der Immobilienmakler, wird von Kapitel zu Kapitel jünger geschrieben. Schließlich ist er ein attraktiver Vierzigjähriger mit respektabler Figur. Den "Wandel" des Zappelphilipps (Boris) und des Distinguierten (Robert) werden die Leser leichter akzeptieren, die wissen, dass beim zweiten - gar dritten - Sehen, genauer gesehen wird.

Akzeptieren müssen die Leser auch, daß die Autoren Boris und Robert mehr Witz und Weisheit verleihen, als in ihrer geschilderten Persönlichkeit angelegt ist. Nicht akzeptiert werden muss die Autorensprache, wenn sie nicht den Generationen entspricht, die im AIDS- und Handyzeitalter angekommen sind. Spürbar gewollt, was Rückschlüsse auf die Verfasser zulässt, ist "Liebe vielleicht" auch Bildungslektüre. Also etwas für Leute, denen etwas geboten werden muss, wenn die Geschichte nicht all zuviel zu bieten hat. Ein Tag kann ein langer Tag werden. Dass er nicht zu lang, nicht langweilig wird, dafür sorgen Stempel und Ripkens mit ihrer originellen Schwulen-Story, die kein gedroschenes Stroh drischt. Sie haben auch dafür gesorgt, daß die Erzählung eine Liebeserklärung an München ist. Wenn die Leser, gemeinsam mit Robert, "Münchens feinste Pralinen bewundern", werden sie sich nicht wundern, wenn "Liebe vielleicht" schließlich wie eine Praline schmeckt.

Bernd Heimberger
30.03.2009

 
Diese Rezension bookmarken:

Das Buch:

Hans Stempel und Martin Ripkens: Liebe vielleicht

CMS_IMGTITLE[1]

Berlin: Querverlag 2009
114 S., € 14,90
ISBN: 978-3-896-56161-9

Diesen Titel

Logo von Amazon.de: Diesen Titel können Sie über diesen Link bei Amazon bestellen.