Romane

Ein Paradies im Westen?

Ursula Bach-Puyplat hat mit diesem Roman bereits ihr zweites Buch veröffentlicht, welches an das erste anknüpft, aber eigenständig gelesen werden kann, weil es in sich abgeschlossen ist. Mit großer Hingabe erzählt sie von der Republikflucht zweier Frauen, die Mutter und Tochter sind. Dabei spürt man, dass es hier um eine fiktive Geschichte geht, die dennoch autobiografische Züge aufweist. Das Nachwort der Autorin bestätigt einen in der Annahme: "In diesem Buch steht nichts, was nicht geschehen ist, nichts aber ist so geschehen, wie es in diesem Buch geschrieben ist."

Erzählt wird die Geschichte der Uta Storm, die "guter Hoffnung" ist und zusammen mit ihrer Mutter aus der DDR in die BRD flüchtet. Unterstützt von ihrer Tante und ihrem Onkel brechen sie auf. Utas Vater ist im Krieg umgekommen und ihr Verlobter Jörg ist Kommunist. Es bleibt ihr nichts anderes übrig, als die ungewisse Flucht, alleine mit ihrer Mutter und dem ungeborenen Kind in ihrem Bauch anzutreten, in der Hoffnung, dass es gut ausgehen würde. Die Flucht gelingt, doch das ist nicht der Beginn eines freien und losgelösten Lebens im goldenen Westen. Sie durchlaufen Flüchtlingslager, diverse Untersuchungen, Akten werden geschrieben und die Formalitäten scheinen kein Ende zu nehmen. Sie erleben wie Busse mit Flüchtlingen zurück in die Heimat entführt werden. Ihr Leben besteht fortan aus Ängsten. Uta ist die ganzen Wochen immer hin und hergerissen zwischen dem Leben mit Jörg im Osten und dem neuen Leben, was sie gewiss erwarten wird. Sie träumt, fantasiert, wünscht und muss ernüchtert feststellen, dass nichts so wird, wie geplant.

Aus Flüchtlingslagern werden Barackenwohnungen und mittendrin kommt ihr Sohn Peter zur Welt, den sie sehnsüchtig erwartet hat und dessen Geburt sie fast in den Tod gerissen hätte. Doch für ihn will sie leben, wenn schon nicht mit seinem Vater, an dessen Nachkommen sie zwar denkt, es sich sogar sehnlichst wünscht, aber dessen Erfüllung ihr dann doch nicht realistisch erscheint und so resigniert sie und nimmt, was sich ihr bietet. Mit ihrer Mutter zu einer Einheit verschweißt kämpfen beide um ihre neuen Wurzeln. Uta wird jedoch zusehends unglücklicher. So hatte sie sich ihr neues Leben nicht vorgestellt. Die Sicherheit im Westen war trügerisch. Ständig Ängste, Onkel und Tante reinzureißen, bespitzelt zu werden, sich verdächtig zu machen. Briefe mussten verschlüsselt werden, Besuche in der Heimat waren natürlich ganz unmöglich. Doch die Familie hält zusammen und Utas Großmutter spürt, dass ihre Hilfe benötigt wird. Zu dritt, wird das neue Leben schon gelingen. Für Uta ist das ein Segen. Ständig läuft sie Gefahr in eine Depression abzurutschen. Sie bemüht sich, arbeitet hart, studiert und kämpft für den Lebensunterhalt.

Doch immer wieder muss sie Rückschläge einstecken, drohen Gefahren und lauern Sackgassen. Uta muss sehr schnell erwachsen werden und begreifen, dass die Flucht ihr ein besseres Leben ermöglicht, sie aber ihrer Heimat entrissen hat, ihr das Glück mit Jörg genommen hat, ihren Lehrberuf und die Freunde, ein karges, aber friedliches Leben. Hier im Westen ist die Landschaft herrlich, man kann sich mehr leisten, lebt freier. Jedenfalls dachte Uta, dass das so ist, doch was sich ihr präsentiert ist weit davon entfernt. Einzig der familiäre Rückhalt stärkt sie, führt jedoch gleichzeitig in eine Abhängig zur Mutter und auch Familie, die sie ständig bedrängt einen neuen Vater für Peter zu finden, eine Beziehung einzugehen, um abgesichert zu sein, den ständigen Fragen nach dem Mann und Kindsvater aus dem Weg zu gehen, etc. Uta wird beeinflusst und kann sich nicht recht befreien. Doch sie muss, will sie ihrem Sohn eine gute Mutter sein. Der so lang ersehnte Umzug in eine Neubauwohnung hatte sie euphorisch zurückgelassen, doch die Schatten der Vergangenheit und Gegenwart holen Uta immer wieder ein, bis sie sich loslöst, eigene Wege geht und sich findet, ihren Weg findet...

Die Autorin hat mit viel Feingefühl die Seelennot Utas wiedergegeben. Ebenso hat sie dem Leser, der mit der Republikflucht keine eigenen Erfahrungen verknüpfen kann, deutlich gemacht, wie langwierig so eine Flucht wirklich ist und, dass es mit dem Ankommen in der BRD noch lange nicht getan ist, welche psychischen Nöte aufkommen, mit welchen Ängsten diese Menschen zu tun haben, wie sie leben müssen, angewiesen auf Hilfe und Unterkunft. Und auch hat sie sehr eindrucksvoll beschrieben, wie sehr sich auch nach Jahren des Ankommens, des wirklich einfindenden Glücks, die Sehnsucht nach der Heimat im Herzen breit macht, die Frage nach Fehlern und Fehlentscheidungen. Es ist ergreifend und offen, was Ursula Bach-Puyplat schreibt und gibt einen tiefen Einblick in die damalige Zeit nach 1961.

Tanja Küsters
23.03.2009

 
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Das Buch:

Ursula Bach-Puyplat: Im Westen

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Frankfurt am Main: August von Goethe Literaturverlag 2008
272 S., € 16,40
ISBN: 978-3-8372-0271-7

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