Romane

Eine Seefahrt, die ist lustig

Eigentlich hätte es ein erfolgreicher Fantasy-Autor wie Brandon Sanderson nicht nötig gehabt, gleich vier Buchprojekte via Crowdfunding zu finanzieren. Auf jeden Fall unterstrich das Ergebnis - knapp 42 Millionen US-Dollar kamen zusammen - seine Beliebtheit und gestattete ihm zudem völlige künstlerische Freiheit. Eines der Ergebnisse ist der Roman "Weit über der smaragdgrünen See".

Die junge Tress fristet ein wenig bemerkenswertes Leben als Fensterputzerin auf einer tristen Felseninsel. Einer der wenigen Lichtblicke ist ihr Freund Charlie. Doch der ist bald gezwungen, die Insel zu verlassen und gerät in Gefangenschaft. Also beschließt Tress, sich auf die gefährlichen Meere zu begeben und ihren Freund zu retten.

Der Plot klingt nicht nach den typischen Romanen von Brandon Sanderson. Dennoch finden sich auch hier einige der Elemente, die seine Fans schätzen. Da wäre etwas das innovative Worldbuilding. So bestehen die Meere in seinem Roman nicht aus Wasser, sondern aus verschiedenartigen Sporen. Diese verändern sich durch den Kontakt mit Flüssigkeiten so, dass Seereisen zum gefährlichen Abenteuer werden. Bei Sanderson ist das aber mehr als eine fantastische Randnotiz. Er baut die Romanhandlung geschickt um seine Sporenkreation herum und erschafft mit einer Reihe von weiteren Einfällen eine stimmige und spannende Fantasy-Welt.

Auch die Tonalität des Werks ist ungewöhnlich und changiert von märchenhaft und abenteuerlich bis hin zu komisch und ironisch. Dadurch und wegen der Umkehrung klassischer Rollenstereotypen wirkt er modern. Als Erzähler fungiert dabei über weite Strecken eine Romanfigur, die das Lesepublikum erst später kennenlernt. Dieser ist zwar nicht allwissend, verfügt aber über mehr Informationen als die anderen Charaktere, was immer wieder zu witzigen Kommentaren führt. Einige davon gehen auch über das Romanuniversum heraus und beziehen sich auf unsere Welt. An manchen Stellen drängt sich hier ein Vergleich zu den Werken von Genregrößen wie Terry Pratchett oder Neil Gaiman auf.

Ein fetter Pluspunkt ist die tolle Aufmachung des Romans. Das beschränkt sich nicht nur auf ansprechende, von Howard Lyon gestaltete Schwarz-weiß-Illustrationen, die einzelne Szenen der Handlung visualisieren. Auch der vordere und hintere Vorsatz ist farbig mit Elementen aus dem Roman gestaltet. Bibliophile Leserinnen und Leser dürften sich zudem über das heute selten gewordene Lesebändchen freuen.

Bei allem Lob muss sich Brandon Sanderson auch etwas Kritik gefallen lassen. So wirken viele Teile der Handlung im Nachhinein betrachtet ziemlich konstruiert. Das hat aber natürlich auch mit dem märchenhaften Charakter der Handlung zu tun. Zudem sind einige ironische Kommentare des Erzählers möglicherweise zu ausladend geraten und reißen das Lesepublikum dadurch unnötig aus der Immersion. Hier wäre durch die Fußnotentechnik, für die Terry Pratchett bei ähnlichen Einwürfen bekannt war, eine bessere Umsetzung möglich gewesen.

Brandon Sanderson gelingt mit "Weit über der smaragdgrünen See" ein märchenhafter, aber dennoch moderner Abenteuerroman, der durch Komik und Ideenreichtum punktet, allerdings auch etwas konstruiert wirkt.

Ingo Gatzer 
03.06.2024

 
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Das Buch:

Brandon Sanderson: Weit über der smaragdgrünen See. Aus dem Amerikanischen von Simon Weinert

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München: Piper Verlag 2023 544 S., € 25,00 ISBN: 978-3-492-70668-1

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