Romane

Literatur, die den Leser regelrecht berauscht

Marvel, eine Kleinstadt in Indiana, 1930. Es ist ein heißer Tag im Hochsommer, als sich die Nachricht wie ein Lauffeuer verbreitet: drei schwarze junge Männer sollen gelyncht werden. Im ganzen County machen sich die Bewohner auf, dem Spektakel beizuwohnen. Auch Ottie Lee Henshaw, eine verblühende Kleinstadtschönheit, ist unterwegs mit ihrem schmierigen Boss und ihrem undurchsichtigen Ehemann, um ein bisschen Spaß zu haben. Am anderen Ende der Straße bricht eine junge Afroamerikanerin auf. Calla Destry will der Spirale von Gewalt und Unterdrückung entkommen und ist entschlossen, den Mann zu treffen, der ihr ein neues Leben versprochen hat. Unvermittelt finden sich beide Frauen an einem Scheideweg wieder.

Wildgewordene Demagogen, marodierende Bürgerwehren, scharfe Hunde und der Ku-Klux-Klan sind unterwegs - die Straße ist kein guter Ort für beide Frauen. Denn jede von ihnen hat ein Geheimnis, dass sie hinter sich lassen will, und die aufgeheizte Stimmung ist für sie beide brandgefährlich. So wird auf Ottie, ihren Boss und ihren Ehemann geschossen; Calla droht das Opfer eines Lynchmobs zu werden. Beide Frauen haben zu kämpfen; nicht nur mit den äußeren Umständen, sondern noch mehr mit ihren eigenen, inneren Dämonen. Ottie gerät schon bald in einen emotionalen Zwiespalt und weiß nur einen Ausweg: Flucht. Sie will ihren Job kündigen, bringt aber nicht die Kraft dafür auf. Dass ist aber nichts im Vergleich zu dem, was Calla durchmachen muss ...

Unterhaltung, die mit zum Besten im Bücherregal gehört - mit "Die Vögel sangen ihre letzten Lieder" gelingt Laird Hunt ein Meisterwerk der Erzählkunst, fast schon ein Geniestreich. Man verliert sich mit allen Sinnen in diese Geschichte, bekommt über solch ein Vergnügen von der Welt um sich herum nichts mehr mit. Der US-amerikanische Autor kann definitiv schreiben, so gut, dass einem sogar ganz schwindelig wird. Er nimmt uns mit auf eine emotionale Achterbahnfahrt. Und diese vergisst man garantiert nicht mehr so schnell. Vielmehr will man diese noch einmal machen, und fängt, kaum beim letzten Satz angekommen, mit der Lektüre wieder von vorne an. Hunt ist ein Schriftsteller der Extraklasse. Seine Romane sind weitaus mehr als ein Zeitvertreib. Sie verändern Leben!

Fans von Harper Lee oder Jack Kerouac werden Laird Hunts "Die Vögel sangen ihre letzten Lieder" nicht nur mit großem Genuss, sondern auch mit Gänsehaut am ganzen Körper lesen. Diese Lektüre ist nämlich aufwühlend, unerschrocken und schmerzlich schön; völlig einzigartig. Was man hier in die Hände bekommt, ist Literatur mit berauschendster Wirkung. Mehr noch: Sie hallt noch lange im Herzen und in den Gedanken des Lesers nach!

Susann Fleischer 
28.11.2022

 
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Das Buch:

Laird Hunt: Die Vögel sangen ihre letzten Lieder. Aus dem Amerikanischen von Kathrin Razum

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München: btb Verlag 2022 288 S., € 12,00 ISBN: 978-3-442-71685-2

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