Romane

Nur ein leidender Künstler ist ein guter Künstler

Der Originaltitel des zweiten Romans von Joey Goebel - «Torture the Artist» - trifft den Nagel auf den Kopf, denn der junge Künstler Vincent wird systematisch gequält, damit er in seinem Kummer bessere Songs und bessere Drehbücher schreibt. In seiner Mediensatire lässt Goebel den Medienmogul Foster Lipowitz an seinem Lebensabend Revue passieren, was er mit seinem Imperium in all den Jahren in der amerikanischen Medienlandschaft erreicht hat. Er erkennt, dass er jahrelang sein Publikum mit leeren Popsongs und schlechten Filmen überschwemmt hat und «die Unterhaltung die Kunst getötet hat». Todkrank beschließt er, alles wieder gut zu machen, indem er eine Schule gründet, in der hochbegabte Kinder zu guten Künstlern erzogen werden sollen. Diese Erziehung besteht unter anderem auch darin, dass sie immer wieder seelischen Qualen ausgesetzt werden, um kreativer zu sein. «Wir werden unsere Künstler nicht durch Belohnungen wie Geld, Ruhm und Sex anspornen, sondern durch Entbehrungen; wir geben nicht, sondern nehmen weg».

Einer dieser Schüler ist der junge, vielversprechende Vincent. Ihm wird schon früh eine Art böser Schutzengel namens Harlan Eiffler als Manager zur Seite gestellt. Dieser sorgt von Anfang an dafür, dass Vincent immer wieder leidet. So stirbt plötzlich Vincents geliebter Hund, sein Elternhaus löst sich in Flammen auf und seine große Liebe lässt ihn sitzen. All dies geschieht nicht ohne Eifflers Zutun. Er erkauft sich die Mithilfe und das Schweigen der Menschen aus Vincents unmittelbarem Umfeld. Je tiefer Vincent seelisch sinkt, desto erfolgreicher ist er künstlerisch: Er schreibt Nummer-1-Hits für große Popstars und kreiert Fernsehserien, die von Millionen geliebt werden.

Doch wie weit kann man dieses Spiel mit einem menschlichen Wesen treiben? Lipowitz’s Maxime «per aspera ad astra – ohne Leid kein Preis» lässt sich nur bedingt bis zum Letzten ausschöpfen. Sternstunden dieser Mediensatire sind die Passagen, in denen sich der ehemalige Musikkritiker und Verlierertyp Eiffler ohne Scham und Furcht über die Schwächen und Peinlichkeiten der amerikanischen Medienindustrie auslässt – wohlgemerkt im Beisein der jeweiligen Verantwortlichen. Alles in allem ist Goebel eine Abrechnung mit der Massenproduktion von Stars und der derzeitigen Medienlandschaft gelungen.

Sabine Mahnel
03.03.2008

 
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Das Buch:

Joey Goebel: Vincent

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Zürich: Diogenes Verlag 2007
448 S., € 9,90
ISBN: 978-3-257-23647-7

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