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Victor hat ein Geheimnis. Wenn er glücklich ist, springt er in der Zeit zurück und erlebt besondere Momente erneut. Aber wenn er traurig ist, springt er, je nach Intensität, mehrere Minuten, manchmal sogar Stunden in die Zukunft. Daher hat er sich für ein Leben in Einsamkeit entschieden. Das Weingut im Süden Brasiliens ist sein größter Halt, wenn ihn die Trauer über den Tod seiner ersten und einzig wahren Liebe überfällt. Vor zwanzig Jahren starb Amanda bei einem Anschlag in der kenianischen Hauptstadt Nairobi. Acht Monate zuvor wähnte sich Victor am Ziel seiner Träume, als er und Amanda sich küssten. Doch tags darauf zog sie mit ihren Eltern nach Afrika, der Kontakt brach ab. Victor las in der Zeitung von dem Terrorakt und seine einst heile Welt zersprang in tausend Splittern.

Inzwischen ist viel Zeit vergangen, der einst stechende Schmerz zu einem dumpfen Pochen abgeklungen. Bis eine E-Mail die alte Wunde wieder aufreißt. Victor, von der Presse als "Prinz des Schaumweins" betitelt, wird zum 20-jährigen Jubiläum seiner Abschlussklasse eingeladen. Nach anfänglichen Zweifeln und einer Intervention der Schwester fährt er tatsächlich nach Brasília und begegnet dort keiner Geringeren als Amanda. Sie saß damals gar nicht im Auto ihrer Eltern. Statt ihr starb die kleine Schwester einer guten Freundin. Amanda hat schwer mit ihren Gewissensbissen zu kämpfen. Victor scheint ihre Hoffnung auf ein Happy End. Schon länger versucht Amanda aus ihrer Ehe zu fliehen. Mit Victor hat sie endlich die Kraft dazu. Amandas Gatte allerdings will sie um keinen Preis nicht verlieren ...

Unterhaltung, die insbesondere Frauen ein sehr breites, glückliches Lächeln auf die Lippen zaubert - "Die schönste und die traurigste aller Nächte" zu lesen fühlt sich an wie eine zärtliche Umarmung, als würde man in den Armen seines Geliebten liegen und von ihm getröstet werden. Die Lektüre macht glücklich und traurig zugleich. Autor Maurício Gomyde schreibt Literatur, in die man sich ab dem ersten Satz Hals über Kopf schockverknallt. Er steckt in einen Satz mehr Gefühl(e) als manch anderer Schriftsteller in sein ganzes Buch. Die Romane des brasilianischen Ausnahmetalents sind Genuss pur, außerdem so poetisch wie die frühen Werke von Guillaume Musso. Nach der letzten Seite ist einen ob der vielen, betörenden Emotionen ganz schwindelig, geradezu freudetrunken. Seufz!

Solch schönstes, berührendstes Leseglück wie in Maurício Gomydes Geschichten findet man nur äußerst selten zwischen zwei Buchdeckeln. Bei deren Lektüre muss man aufpassen, dass einem das Herz nicht bricht. Von "Die schönste und die traurigste aller Nächte" bekommt man Schmetterlinge im Bauch, außerdem ganz feuchte Augen. In der Story stecken Emotionen bis zum letzten Satz. Diese ist ein ganz besonderes Geschenk im Bücherregal. Literatur zum Verlieben!

Susann Fleischer 
30.03.2020

Maurício Gomyde: Die schönste und die traurigste aller Nächte. Aus dem brasilianischen Portugiesisch von Johanna Schwering, Viktoria Wenker

Reinbek: Rowohlt Polaris Verlag 2019 384 S., € 16,00 ISBN: 978-3-499-00048-5

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