Romane

Das Wunder von einer Geschichte, definitiv zum Verlieben!

Christine, von allen "Oreo" (ja, genau wie der Keks) genannt, wächst bei ihren Großeltern in Philadelphia auf, während ihre Mutter mit einer Theatertruppe auf Tour geht. Ihr Vater hat sich kurz vor ihrem zweiten Geburtstag aus dem Staub gemacht. Als Tochter einer Afroamerikanerin und eines Juden ist Oreo eine doppelte Außenseiterin. Sie hat es nicht leicht im Leben. Kämpfe bestimmen ihren Alltag. Immer wieder räumt sie alle aus dem Weg, die ihr an den Kragen wollen, und lässt kein Klischee ohne Konter. Gemeinsam mit ihrem jüngeren Bruder übersteht sie selbst die schwierigsten Zeiten. Die beiden sind immer füreinander da, auch dann noch, wenn es in ihrem Leben auch mal stürmischer zugeht. Bis Oreo in die Pubertät kommt und in eine Identitätskrise gerät.

Mit sechzehn beschließt Oreo, sich auf die Suche nach ihren Wurzeln zu begeben. Nach dem Highschool-Abschluss reist Oreo mit einem Rucksack nach New York, um dort nach ihrem Vater zu suchen. Aber in der Großstadt entdeckt sie, dass Dutzende von Sam Schwartzes (der Name ihres Vaters) im Telefonbuch stehen. Und so verwandelt sich Oreos Mission in eine boshafte, humorvolle Jagd. Unterwegs trifft sie die unterschiedlichsten Menschen: einen schwulen "Reisehenker", der anonym Manager feuert, einen Radio-Macher, der nicht spricht, einen grotesk tumben Zuhälter und endlich auch ihren Vater. Nicht jeder ist ihr wohlgesinnt. Aber Oreo überlebt alle und alles dank ihres selbsterdachten Kampfsports WITZ, getreu ihrem Motto: "Niemand reizt mich ungestraft."

Poesie, die ins Herz trifft und es zum Hüpfen bringt, hoch und höher, bis es einem mit dem letzten Satz bricht - kaum etwas beglückt einen mehr als die Erzählkunst von Fran Ross. Diese kommt einer Verführung für alle Sinne gleich. Man will nichts anderes mehr lesen! "Oreo" ist eine Geschichte, die den Leser zu Tränen rührt, aber zugleich ein breites, glückliches Lächeln auf die Lippen zaubert. Die US-amerikanische Autorin kann schreiben. Sie sorgt für Unterhaltung, die herrlich anders ist, alles andere als nullachtfünfzehn. Ihr erstes, leider auch einziges Buch lohnt unbedingt eine Entdeckung. Es ist ein Juwel unter den Neuerscheinungen 2019. Kaum aufgeschlagen, ist man schockverliebt: in die Protagonistin, in Ross' Schreibstil und überhaupt.

"Oreo" hat definitiv das Zeug dazu, eine Art "Onkel Toms Hütte" des 21. Jahrhunderts zu werden. Autorin Fran Ross gelingt eine aufwühlende, lebensverändernde, zugleich aber auch wunderbar erheiternde Lektüre, die es weder an Humor noch an Tiefgang fehlen lässt. Solch ungewöhnlich brillante, außerdem wertvolle Literatur ist von größter Seltenheit im Bücherregal. Was man hier in die Hände kriegt: ein Geniestreich ohnegleichen! Absolut grandios! Das Buch begleitet einen fortan durchs Leben. Danke für dieses Lesegeschenk!

Susann Fleischer 
11.11.2019

 
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Das Buch:

Fran Ross: Oreo. Aus dem Amerikanischen von Pieke Biermann

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München: dtv 2019 288 S., € 22,00 ISBN: 978-3-423-28197-3

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