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Ein Geniestreich unter den Neuerscheinungen des Bücherwinters/-frühjahrs 2019

St. Pauli, 1960: Ein Sehnsuchtsort für Gegenkultur, Kunst, Drogen und freie Sexualität. Als es Wolli Köhler nach Hamburg verschlägt, ist die Welt der Nachkriegsjahre eng und spießig. Der junge Mann aus dem Nirgendwo sucht nach Abenteuer und Freiheit. Er hat schon vieles hinter sich: Schlosserlehre, Bergbau, Zirkus und ein Dasein als Obdachloser ohne Zukunftsperspektive. Wolli lebt hart an der Grenze, die Gesundheit und die Legalität/Kriminalität betreffend. Er reizt sein Limit sowie Glück immer aus. Und wird dafür bezahlen. Allerdings erst später. Erst einmal steigt er auf zur außergewöhnlichsten Kiezlegende in der Geschichte St. Paulis. Probleme mit den Ordnungshütern sind dabei noch seine geringsten. Schlimmer als Polizei, Amtmann und Konsorten sind die sogenannten "Freunde".

Im Lichtermeer des Hamburger Viertels treiben Nacht für Nacht Huren, Freier, Transvestiten, Schläger und Künstler wie die noch völlig unbekannte Band "The Beatles", die es nach Wollis Meinung nicht draufhat, aufgeputscht von Drogen und Alkohol, durch die heruntergekommene Herbertstraße. Sie alle vereint die Sehnsucht nach einem grenzenlosen Leben. Wolli wird Besitzer eines Bordells der gehobenen Kategorie. Sogar Schriftsteller und politische Größen suchen sein Etablissement auf. Der Champagner fließt in Strömen, im Sommer rieselt es Schnee und vor lauter Geld weiß Wolli nichts mehr mit sich anzufangen. Dabei ist er auf der Suche, zum Beispiel nach der Liebe, wenn auch nicht unbedingt nach der einzig wahren, der großen Liebe. Doch findet er etwas ganz anderes ...

Literatur, die mit jeglichen Konventionen bricht - die Bücher aus der Feder von Rocko Schamoni sind ein absolutes Highlight im Leben jedes Lesers. Denn sie geben ein Lebensgefühl wieder. "Große Freiheit" erzählt vom und aus dem Leben der Puffgröße Wolfgang "Wolli" Köhler. Und das lohnt die Lektüre! Denn dagegen kommt selbst die spannendste Biographie nicht an. Wolli war eine der schillerndsten Figuren auf dem Hamburger Kiez der 60er- und 70er-Jahre. Hier wird ihm ein Denkmal gesetzt, noch dazu eines für die Ewigkeit. Und nicht nur das: Man liest wie berauscht die Seiten und kriegt vor Staunen über Schamonis Schreibkunst den Mund nicht mehr zu. Der deutsche Autor bricht man sämtlichen Tabus. Er kennt keine Etikette, aber seine Geschichten haben dafür umso mehr Stil.

Rocko Schamoni macht seinem Vornamen alle Ehre: Wie kaum ein anderer Autor rockt er die deutsche Literatur. Mit seinen Romanen bringt er frischen Wind rein und mischt die Szene mal so richtig auf. "Große Freiheit" überzeugt mit einem unvergleichlich genialen Sound, der einen mitreißt, sogar aus den Socken haut. Mehr noch: Zwischen zwei Buchdeckeln findet man jede Menge Sex, Drugs und Rock'n'Roll, aber ohne vulgär oder als zu schlüpfrig zu wirken. Hier geht's so was von ab! Solch eine Lektüre ist definitiv nichts für Zartbesaitete. Es berauscht einen regelrecht, wie Speed zum Lesen!

Susann Fleischer
11.03.2019

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