Romane
Ein Lektürehighlight von überwältigender Erzählkunst und wertvollster Seltenheit
Tom Hazard kann mit seinen 439 Jahren, 1581 in einem kleinen französischen Château geboren, auf ein ziemlich aufregendes Leben zurückblicken. Er war dabei, als die Briten Tahiti entdecken. Er kannte Captain Cook. Er spielte bei den Lord Chamberlain´s Men an der Seite von Shakespeare. Nun will er es etwas ruhiger angehen lassen: als Geschichtslehrer an einer Londoner Highschool. Er versucht, seinen Schülern die Vergangenheit als Abenteuer näherzubringen. Und er hofft, irgendwo in der Themsestadt seine Tochter Marion endlich zu finden. Sie ist so wie er: ein Albatros, gesegnet (oder verflucht?) mit einem langen Leben. Allerdings ist es ein einsames Dasein. Tom meidet soziale Kontakte weitestgehend und zieht alle acht Jahre um. Zu gefährlich ist sein Geheimnis.
Dann tritt Camille, Französischlehrerin an Toms neuer Schule, in sein Leben. Sie weckt längst verschüttete Gefühle wieder in ihm. Seit Rose bei der Großen Pestepidemie starb, hat Tom nicht mehr geliebt. Mit Camille ändert sich nun plötzlich alles. Die beiden verbringen (romantische) Stunden zu zweit. Sie kommen sich langsam, aber sicher immer näher. Allerdings darf niemand davon wissen. Denn sonst wird die Geheimorganisation, bei der Tom einst in größter Not, gefangen im Schmerz über Roses Tod, Schutz suchte, sie aus dem Weg räumen müssen. Tom will sich von der Gesellschaft lossagen, aber nur sie scheint in der Lage, Marion zu finden und zu ihm zurückzubringen. Ohne seine Tochter ist Tom nur ein halber Mensch, dessen Sehnsucht ihn mehr und mehr zerstört ...
Literatur, die einem ein breites, glücksseliges Lächeln auf die Lippen zaubert - Matt Haig sorgt wie kaum ein anderer seiner Zunft für ein Leseerlebnis mit absolutem "Wow!"-Effekt. Seine Bücher bringen Leser zum Staunen. Bei diesen verweilt man gerne über viele, viele Stunden, sogar Tage und Wochen lang. "Wie man die Zeit anhält" entlockt einem mehr als einen lauteren oder leiseren Freudenschrei. Die Story überrascht mit jedem Satz. Einen ähnlich überwältigenden Genuss findet man nur äußerst selten zwischen zwei Buchdeckeln. Der britische Autor trifft mit seinen Geschichten mitten ins Herz. Was er schreibt, rührt zu Tränen und droht dem Leser das Herz zu brechen. Unterhaltung war selten betörender, verführerischer, origineller und emotionaler. Seufz!
Die Romane aus Matt Haigs Feder sind ein besonderes, nämlich besonders schönes Lesegeschenk. Ihnen wohnt ein Zauber inne, von dem einem ganz schwindelig wird. Kaum "Wie man die Zeit anhält" aufgeschlagen, erliegt man mit allen Sinnen der Magie dieser Geschichte. Und man ist wie beschwipst ob solch berauschenden Leseglücks. Haig macht seine Leser ganz taumelnd. Absolut grandios, was man hier in die Hände kriegt!
Susann Fleischer
04.03.2019