Romane
Eine (Grusel-)Geschichte mit Kafka'esken Zügen
London, Juni 1923: Peter Vane, der den Ersten Weltkrieg nur mit viel Glück und dank seines Kameraden Finley überlebte, wird des Nachts immer wieder von Alpträumen geplagt. Dann holen ihn die Erinnerungen von der Zeit an der Front ein. Doch dieses Mal ist etwas anders als sonst. Eine weibliche Stimme flüstert ihm einen Namen zu: Lily. Doch der junge Kriegsveteran und Mathematikstudent kennt niemanden mit diesem Namen. Nur das Foto eines kleinen Mädchens, das ihm Finley im Schützengraben zugesteckt hat, scheint auf merkwürdige Weise mit Lily in Verbindung zu stehen. Peter beschließt, der Sache auf die Spur zu gehen. Das allerdings ist leichter gesagt als getan. Finley kann er nicht fragen. Der ist verschollen.
Um ihn aufzuspüren, sucht Peter trotz aller Zweifel Hilfe bei der berühmten Spiritistin Hester Dowden, die behauptet, mit dem Jenseits Kontakt aufnehmen zu können. Bei der ersten Séance ist das Staunen groß, denn anstelle von Finley stattet Peter der vor 23 Jahren verstorbene, berühmte Oscar Wilde einen Besuch ab. Der diktiert ihm seine Gedanken. In der festen Hoffnung, dass alles rational erklärbar sei, versucht Peter mithilfe der exzentrischen Dolly, das Rätsel um Lilys Foto zu lösen, Mrs. Dowden als Betrügerin zu entlarven und seine eigenen Dämonen zu besiegen. Doch je tiefer er in das Geheimnis eindringt, desto deutlicher wird, dass der Schlüssel dazu in seiner eigenen Vergangenheit verborgen liegt.
Eine Geist-reiche Lektüre, die aufs Grandioseste mit den Erwartungen des Lesers spielt - in "Die Nebelkrähe" ist nichts, wie es auf dem ersten oder auch zweiten Blick scheint. Äußerst gekonnt und geschickt vermischt Alexander Pechmann Wirklichkeit und Surreales zu einem Leseerlebnis mit absolutem "Wow!"-Effekt. Er sorgt für Unterhaltung, die so genial ist, dass es einem nach nur wenigen Sätzen den Atem, sogar die Sprache verschlägt. Hier gruselt es einen. Man bekommt Gänsehaut am ganzen Körper, vom Scheitel bis zu den Sohlen. Und trotzdem genießt man jedes Wort, jede einzelne Lesesekunde. Absolute Weltklasse-Literatur! Dieser kann man partout nicht widerstehen. Das vorliegende Buch wegzulegen ist unmöglich.
Wenn man es nicht wüsste, könnte man glauben, "Die Nebelkrähe" entstamme der Feder Franz Kafkas. Hier werden die Sinne verwirrt. Autor Alexander Pechmann hat mit seinem neuen Roman ein Juwel der Erzählkunst geschrieben. Ihm gelingt ein Geniestreich unter den Neuerscheinungen dieses Jahres. Solch ein überragendes Leseerlebnis ist nur schwer zu toppen, selbst von den (Alt-)Meistern der Zunft!
Susann Fleischer
04.03.2019