Romane

Ein literarisch besonders wertvolles Denkmal gegen Verfolgung und Antisemitismus , das noch vielen Menschen im Gedächtnis bleiben wird

New York City, Ende der 1990er-Jahre: Bei einem Familientreffen erinnert sich die Jüdin Bella Servos an ihre Jugend in Berlin, findet aber kaum mehr interessierte Zuhörer. Zeit und Geschichte sind über ihr Leben hinweggerollt, die Töchter längst in einer anderen Welt angekommen. Dabei gäbe es die Familie gar nicht, hätte der arabische Arzt Dr. Fareed während des Dritten Reiches Bella und ihre Liebsten nicht vor der Deportation durch die Nationalsozialisten gerettet. Es war eine schlimme Zeit damals. Vor Bellas geistigem Auge entsteht erneut die Welt von einstmals: die Welt ihrer Eltern, ihrer Schulfreundinnen, ihres selbstlosen Retters und natürlich auch die von Joost, ihrer großen Liebe. Die Gedanken an ihn lassen Bella nicht los, auch nach all den Jahren seit seinem Tod nicht.

Berlin-Mitte, Ende des Jahres 1939: Bellas Familie muss von einem auf den anderen Tag ihr Wohn- und Geschäftshaus verlassen und nach Moabit ziehen. Bellas Vater wird gezwungen, seinen Gemüsegroßhandel "aufzugeben"; einer seiner Kunden "übernimmt" das Geschäft. Sie, Bella, versteht nicht, was da eigentlich vor sich geht. Sie ist fünfzehn und leidet an einer Mittelohrentzündung. Bei Dr. Fareed findet das Mädchen nicht nur medizinische, sondern darüber hinaus menschliche Hilfe. Er stellt Bella als Sprechstundenhilfe ein. Und er bringt ihre Mutter und Großmutter in einem sicheren Versteck unter. Schon bald ist sie unentbehrlich in der Praxis. Dort lernt Bella schließlich Joost kennen. Der ahnt nichts von Bellas Sorgen und Ängste. Sie verheimlicht ihm ihre jüdische Herkunft.

Trotz allem gibt Bella die Hoffnung auf eine glückliche Zukunft nicht auf und kämpft für ihren Traum, Joost eines Tages zu heiraten und mit ihm alt zu werden. Doch ihr Geheimnis könnte jederzeit ans Licht gelangen. Bella ist umgeben von Denunzianten, die sie verraten könnten. Über die folgenden Jahre begleitet Bella die ständige Befürchtung, dass auch sie in ein Konzentrationslager deportiert wird, und sie in Buchenwald oder Ausschwitz ein ähnliches grausames Schicksal ereilen könnte wie schon so viele andere. Joost und Dr. Fareed sind ihr einziger Halt, und könnten zugleich zu Bellas Verderben werden ...

Unterhaltung voller Emotionen und mitreißender Leidenschaft - ab dem ersten Satz von "Die Rettung einer ganzen Welt" braucht man mehrere Packungen Tempos. Denn die Story bedeutet ganz großes Gefühlskino bis zur letzten Seite. Jürgen Seidel sorgt mit seinen Werken für ein Leseerlebnis, das noch lange im Herzen nachhallt. Und das sogar Leben für immer zu ändern vermag. Während deren Lektüre bekommt man Gänsehaut am ganzen Körper, auch weil man geschockt ist über die Geschehnisse unter den Nationalsozialisten. Der Autor trifft uns mitten ins Herz. Seine Bücher sind fesselnd geschrieben und bringen Jugendlichen wie auch Erwachsenen die Gräueltaten in der Zeit des Dritten Reiches auf einfühlsame aber auch eindringliche und deutliche Weise näher. Sie sind Pflicht für jeden!

Kein anderer Schriftsteller verarbeitet die Schrecken des Zweiten Weltkrieges auf solch poetisch-schönste Weise wie Jürgen Seidel. In seinen Geschichten führt er eines der dunkelsten Kapitel deutscher Vergangenheit dem Leser schmerzhaft deutlich vor die Augen. "Die Rettung einer ganzen Welt", erzählt nach einer wahren Begebenheit, ist ein wichtiges Zeitdokument wider das Vergessen. Und außerdem zeugt der Roman von Erzählkunst auf höchstem Niveau. Mit diesem kriegt man ein Juwel der Literatur in die Hände. Absolut grandios!

Susann Fleischer
19.03.2018

 
Diese Rezension bookmarken:

Das Buch:

Jürgen Seidel: Die Rettung einer ganzen Welt

CMS_IMGTITLE[1]

München: dtv 2018
480 S., € 16,90
ISBN: 978-3-423-26166-1

Diesen Titel

Logo von Amazon.de: Diesen Titel können Sie über diesen Link bei Amazon bestellen.