Romane

Ein hell funkelndes Juwel , das in keinem Bücherregal fehlen darf

Wien in den 1920er Jahren: Die Stadt erholt sich noch immer von den Schrecken des Ersten Weltkrieges. Nahrungsmittel sind knapp und viele Menschen leiden Not. Unter diesen ist auch Rudolf Gordweil. Er träumt von einer Zukunft als Schriftsteller. Doch bis er sein erstes Buch an einen Verlag verkaufen kann, muss Gordweil anderweitig Geld verdienen. Und nebenbei versucht er verzweifelt, das Dasein der Bohème zu führen. Mit seinen Freunden trifft er sich meist im Kaffeehaus. Zusammen versucht mit sich die Zeit zu vertreiben. Einzig eine Frau, die ihm in guten wie schlechten Tagen, in Gesundheit wie Krankheit zur Seite steht, fehlt. Dann lernt er Baronin Thea von Tako kennen - und heiratet sie viel zu bald, was keiner verstehen kann.

Thea tyrannisiert Gordweil, verbraucht beider Einkommen, zerreißt eine fast fertige Erzählung von ihm, nennt ihren Mann einen Esel und Dummkopf, ohrfeigt ihn - er schlägt nicht zurück - und betrügt ihn permanent. Er will das alles nicht wahrhaben, denn er weiß, "... daß er nie von Thea loskommen werde. Denn er liebte sie doch...". Seine Nerven werden immer schwächer. Als Thea einen Sohn zur Welt bringt, hofft Gordweil, dass sich endlich alles zum Besseren ändert. Leider ist dem nicht so. Thea lebt weiterhin ihre dunklen Triebe und sadistischen Gefühle an ihm aus. Von Woche zu Woche mehr gedemütigt und erniedrigt, braucht Gordweil die Kraft des Verzweifelten, um zum Befreiungsschlag auszuholen. Eine Katastrophe scheint unausweichlich ...

David Vogels Romane - was für ein herrliches Lesevergnügen. Mit "Eine Ehe in Wien" kriegt man etwas ganz besonders Wertvolles in die Hände. So viele Emotionen findet man nur selten zwischen zwei Buchdeckeln. Während der Lektüre vergisst man die Welt vollkommen um sich herum und verliert sich mit allen Sinnen in der Geschichte. Diese nimmt einen über viele, viele Stunden und sogar Tage lang restlos gefangen. Nach dem letzten Satz fällt es schwer, wieder mit seinem Leben weiterzumachen. Der Autor beherrscht die Erzählkunst auf höchstem Niveau. Seine Werke sind wie kleine Gemälde so berührend und betörend schön. Diese zeugen von unbändiger Fabulierlust. Und sie versetzen uns in einen Leserausch sondergleichen. Absolut grandios!

"Eine Ehe in Wien" gehört zu den größten literarischen Entdeckungen der letzten Jahre. David Vogel gelingt Belletristik von berauschender Wirkung. Es dauert nur wenige Sätze, und einem ist ganz schwindelig vor lauter Lesebegeisterung. Ohne jeden Zweifel: Meisterhafter und poetischer über das Leben in Wien nach dem Ende des Ersten Weltkrieges und dem Zusammenbruch des Habsburgerreiches kann man definitiv nicht schreiben. 

Susann Fleischer
24.07.2017

 
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Das Buch:

David Vogel: Eine Ehe in Wien. Aus dem Hebräischen von Ruth Achlama

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Berlin: Aufbau Verlag 2017
527 S., € 25,00
ISBN: 978-3-351-03664-5

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