Krimis & Thriller

Ein schwedischer "Pageturner"

Cornelia Göranssons Leben scheint endlich eine Zukunft zu haben. Jahrelang litt sie unter ihrem gewalttätigen Ehemann Hans und dessen alkoholbedingten Eskapaden. Nun haben sich die beiden darauf verständigt, das gemeinsame Haus zu verkaufen, woraufhin Cornelia mit der Tochter, der sechsjährigen Astrid, in eine eigene Wohnung ziehen wird. Das beauftragte Maklerbüro hat die Besichtigungstermine für das Objekt in begehrter Lage bereits organisiert, doch dann die bricht die Katastrophe über die Familie Göransson herein. Am Morgen des letzten Tages im gemeinsamen Haus wird Hans blutüberströmt und tot in seinem Bett gefunden. Fortan gilt Cornelia als die Hauptverdächtige, schließlich hat sie als diejenige, die über Jahre hinweg von Hans gequält wurde und nun als Alleinerbin plötzlich Millionärin sein wird, das attraktivste Motiv.

Die Ermittlerin Emma Sköld ist seit kurzem in anderen Umständen und versucht dennoch, ihren Job wie gewohnt zu meistern. Zu ihrem neuesten Fall kommt sie allerdings über recht kuriose Wege: Emmas Schwester Josefin ist eine enge Vertraute von Cornelia, da deren Kinder Anton und Astrid beste Freunde im Kindergarten sind. So wird Emma einerseits über offizielle Kanäle, andererseits auch über familiäre Kontakte in diesen höchst brisanten Fall eingeführt. Die Indizienlage erweist sich für die Freundin von Emmas Schwester allerdings als erdrückend, zumal es seitens Cornelia keine einzige Anzeige wegen häuslicher Gewalt in den vergangenen Jahren gegeben hat. Dass Emma nun auch noch vermehrt üble Nachstellungen durch ihren Ex-Freund Hugo erleiden muss, macht ihr die Situation keineswegs erträglicher. Sie sieht sich gezwungen, Cornelia vorübergehend festzunehmen.

"Der Mörder und das Mädchen" lautet der Title des ersten in einer deutschen Übersetzung erschienenen Romans der schwedischen Autorin Sofie Sarenbrant. Mit ihrer charismatischen Protagonistin Emma Sköld führt sie eine neue Ermittlerin aus Stockholm in die deutsche Krimi-Community ein, die ein enormes Potential mit sich bringt. Insbesondere halten deren aktuelle Umstände - sie ist während des vorliegenden Falls gerade in der zwölften Woche schwanger - Möglichkeiten bereit, die in weiteren Fortsetzungen sicherlich gut aufgegriffen und verarbeitet werden können. Tatsächlich hat die Autorin im schwedischen Original bereits fünf Bücher mit Emma Sköld veröffentlicht. Was sich Rütten & Loening als der für die deutsche Übersetzung verantwortliche Verlag allerdings dabei gedacht hat, den dritten Teil für das deutsche Debüt Emma Skölds zu verwenden, bleibt ein Rätsel.

Das vorliegende Buch erweist sich als ein wahrer "Pageturner". Die gut 360 Seiten sind für einen Krimi ein recht durchschnittliches Kaliber, doch Sarenbrants Schreibweise mit kurzen und knackigen Kapiteln, 105 an der Zahl, sorgt beim Leser für eine enorme Tempoaufnahme. Es ergibt sich praktisch keine Gelegenheit, das Buch, wenn man erstmal Luft geholt hat, zur Seite zu legen. Dabei braucht es - ganz untypisch für einen nordischen Krimi - auch nur wenig Blut und blutrünstige Ausschlachtungen. Stattdessen spielt die Autorin mit ihren Lesern, denen sie viele mögliche Varianten an Tätern und Motiven andeutet und diese als Denksportaufgabe während des Lesens mitgibt. So wird der erfahrene Krimi-Leser auch hier und da recht selbstsicher die entscheidenden Schlüsse gezogen haben, die sich dann aber als Luftnummern entpuppen werden.

Zu Beginn des vorliegenden Buches ist man geneigt, die vielen Charaktere, die auf den ersten dreißig Seiten eingeführt und erwähnt werden, sowie das dazugehörige Beziehungsgeflecht auf einem Notizzettel zu notieren. Doch der Autorin sei gedankt, dass sie es bei diesem Pool an Darstellern belässt und in der weiteren Geschichte mit diesem Material auskommt. Um Spannung zu kreieren, behilft sich Sofie Sarenbrant mit geschickten Perspektivwechseln, wenn sie nämlich die Kapitel aus der Sicht des Täters in der Ich-Form wiedergibt, während der gesamte Rest neutral in der dritten Person geschildert wird. So versucht man als Leser, jeden Funken an Information zu erspähen, der einem eine Ahnung geben könnte, welche Person denn hier in der Ich-Form über sein Handeln und seine Gedanken berichtet. Doch unterläuft der Autorin kein einziges Missgeschick, so dass sie selbst bis zum Ende die Fäden in der Hand hält und mit einem "finale furioso" schließlich die ganze Geschichte zu einer packenden Auflösung führt. Man darf nun arg gespannt sein, welchen Emma-Sköld-Fall die angefixten deutschen Leser als nächstes präsentiert bekommen.

Christoph Mahnel
18.04.2017

 
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Das Buch:

Sofie Sarenbrant: Der Mörder und das Mädchen. Thriller. Aus dem Schwedischen von Hanna Granz

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Berlin: Rütten & Loening 2017
368 S., € 16,99
ISBN: 978-3-352-00893-1

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