Krimis & Thriller

Meet me in the pleasure dome

Der Bassist Alex Dunbar war mit seiner Band "Mojo" in den Siebzigern ein umjubelter Star in der Musikszene. Doch auch er war nicht gefeit gegen die Verlockungen des Fleisches und der Drogen, und so kam es, wie es kommen musste. Nach dem letzten Konzert einer Europa-Tournee sind Alex und seine Bandkollegen willkommene Gäste bei einer Party auf einem ländlichen Anwesen im Münchener Umland. Drogen und hübsche Mädchen gibt es bis zum Abwinken, am Ende aber auch eine Leiche: Gisa, die faszinierende Ehefrau des Hausbesitzers, liegt tot und nackt neben Alex. Diese Indizien scheinen glasklar auf Alex als den Täter hinzuweisen. Zu dumm nur, dass dieser von seinem Trip nicht runterkommt und von seiner eigenen Schuld überzeugt ist. Eine Verteidigung von Alex ist schlicht zweck- und erfolglos.

Im Hier und Jetzt lebt Alex Jahrzehnte nach der Tat auf Gut Betzing in der bayrischen Provinz und wird dort psychotherapeutisch betreut. Ob Alex jemals wieder seiner Langzeitpsychose entfliehen kann, ist eher zweifelhaft. Dennoch lebt er in seiner Gemeinschaft scheinbar glücklich zusammen mit einem am Tourette-Syndrom leidenden Punk namens Ben sowie Willi, einem Kind gebliebenen Koloss. Die drei Freaks gärtnern meist munter vor sich hin, bis eines Tages Ben Alex dabei eine Schaufel über den Schädel zieht. Kurzzeitig ringt Alex mit dem Tod, doch sobald er sich erholt hat, merkt er rasch, dass der Schlag seine Genesung angekurbelt hat. Urplötzlich fühlt Alex sich nicht mehr schuldig am Mord an Gisa und will den jahrzehntealten Fall neu aufrollen. Dass einige Personen, die auch heute noch von Alex‘ musikalischem Werk finanziell profitieren, wie auch Gisas Mörder darüber alles andere als begeistert sind, gefährdet Alex‘ Leben massiver als vor kurzem noch Bens Gärtnerschaufel.

"Mad Dog Boogie" nennt sich die bunte Achterbahnfahrt durch die wilden Siebziger und die bayrische Provinz. Als Autor fungiert ein gewisser Max Bronski, der mit seinen früheren München-Krimis um den Antiquitätenhändler Gossec sowie dem Physik-Thriller "Der Tod bin ich" erfolgreich und vor allem inkognito unterwegs war. Lange Zeit war unklar, wer hinter diesem Pseudonym steckt, die Mutmaßungen fokussierten sich vor allem auf Michael Fitz, den ehemaligen Münchener Tatort-Kommissar, der für viele Lesungen von Bronskis Romanen verantwortlich zeichnete. Doch nun wurde das Geheimnis recht unspektakulär gelüftet: Das Alter Ego Max Bronskis ist Franz-Maria Sonner, der in seiner schizophrenen schriftstellerischen Vergangenheit auch schon einige Werke unter seiner wahren Identität herausgebracht hatte, unter anderem beim für "Mad Dog Boogie" verantwortlichen Kunstmann Verlag. Bedenkt man den großen Rummel, der einst um das Nichtwissen um Bronskis reales Ich gemacht wurde, überrascht die banale Auflösung dieses Geheimnisses.

Aber egal, "Mad Dog Boogie" ist unabhängig von einer pseudonymen oder realen Autorenschaft ein gelungener Trip durch die glamouröse Musikszene mit dem Kontrastprogramm in der beschaulichen Provinz. Der Autor hält die Schlagzahl in der Handlung durch seine kurz und knapp gefassten Kapitel hoch. Dass er dabei ständig zwischen den Vorgängen in den Siebzigern sowie dem Hier und Jetzt wechselt und auch die Erzählperspektiven zwischen dem als Ich-Erzähler fungierenden Therapeuten und einer neutralen Berichterstattung in der dritten Person hin- und herschwenkt, hätte durchaus für Verwirrung sorgen können. Doch durch die simple Ausstattung der Kapitelüberschriften mit den allseits bekannten Tastensymbolen für Abspielen, Rück- und Vorwärtslauf wird der Leser zu Beginn eines jeden Kapitels sogleich in die richtige Zeitzone gespult.

Sonner alias Bronski scheint in "Mad Dog Boogie" einige autobiografische Erlebnisse verarbeitet zu haben. Zum einen gibt Sonner in seiner "Max Bronski Band" selbst den Bassisten, zum anderen waren die turbulenten siebziger Jahre für den anno 1953 geborenen Autor sicherlich prägend für sein weiteres Leben. Drogen benötigt man beim Lesen von "Mad Dog Boogie" keineswegs, der Autor sorgt mit seiner dynamischen Story sowie den ständigen Rhythmuswechseln schon für ein höchst erheiterndes und bewusstseinserweiterndes Erlebnis, das gerne auch länger als die vorliegenden gut 200 Seiten hätte ausfallen dürfen. Bei der Auflösung hat Bronski leider ein wenig gespart, doch für ihn war offensichtlich der Weg das Ziel. Der Autor hat einige skurrile Protagonisten geschaffen, die nicht nur mit Schaufeln um sich schlagen, sondern sich auch Dialoge hochfrequent um die Ohren hauen. Fehlt nur noch ein Bär und etwas Wien oder Amsterdam, schon würde man glauben, ein John-Irving-Kondensat vor sich zu haben. Gerne darf Franz-Maria Sonner in den kommenden Jahren noch ein wenig mehr aus seinem Leben plaudern, seine Leser würden sich sicherlich darauf freuen!

Christoph Mahnel
25.01.2016

 
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Das Buch:

Max Bronski: Mad Dog Boogie

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München: Kunstmann Verlag 2016
250 S., €14,95
ISBN: 978-3-956-14056-3

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