Krimis & Thriller

Mord und Totschlag auf Bayrisch

Dass im tiefsten Bayern seit jeher genau wie in allen anderen Winkeln Deutschlands gemeuchelt und gemordet wird, überrascht sicherlich niemanden. Dass einen aber acht Mordsgeschichten aus zwei Jahrhunderten in den Bann ziehen können, ist Robert Hültners Verdienst. Der in Inzell geborene Schriftsteller hat acht historische Mordfälle aus Bayern ausgewählt, sich in die Archive begeben und dort Zeitungsartikel sowie Polizei- und Gerichtsprotokolle recherchiert, um sie im vorliegenden Buch zu präsentieren. "Tödliches Bayern" lautet der Titel seines neuesten Buchs und zeigt, wie zu verschiedenen Zeiten Menschen von ihrer Gier oder ihrer Verzweiflung überwältigt und zu Mördern wurden.

Robert Hültner ist einer breiten Leserschaft vor allem durch seine "Inspektor Kajetan"-Romane bekannt, die im München zwischen den beiden Weltkriegen spielen. Hültner ist es in den sechs bisher erschienen Romanen mit Inspektor Kajetan hervorragend gelungen, historische Hintergründe intensiv in die fiktiven Handlungen zu verflechten. Darüber hinaus hat sich Hültner in der Vergangenheit einen Namen als Tatort-Autor gemacht. Neben zahlreichen Vorlagen für die Ausgaben des BR-Radio-Tatorts hat er schon den beiden bekannten Münchener Tatort-Kommissaren Batic und Leitmayr die Direktiven erteilt. Dies erklärt auch die Verbindung zwischen Hültner und Leitmayr-Darsteller Udo Wachtveitl, die für "Tödliches Bayern" zusammen auf Lesereise gehen.

Die acht Fälle in Hültners "Tödliches Bayern" werden in chronologischer Reihenfolge wiedergegeben. Beginnend im Jahre 1807 wird dem Leser zunächst der Fall des von der Fleischeslust befallenen Pfarrers Franz Sales Riembauer dargelegt. Erstaunlich ist dabei, dass bereits vor über zweihundert Jahren im gottesfürchtigen Bayern den Anschuldigungen einer besitzlosen Magd Glauben geschenkt wurde, um Ermittlungen gegenüber einem Gottesmann aufzunehmen. Wie Hültner in seinem Vorwort erwähnt, sind die jeweiligen Fälle stets vor ihrem historischen Hintergrund zu betrachten, was genau diesen Fall zur damaligen Zeit so besonders machte.

Weiter geht es im Jahre 1867 mit einem Mordkomplott unter Adligen, bevor drei Fallschilderungen aus der Zeit folgen, in der sich Hültner dank seiner "Inspektor Kajetan"-Romane soziokulturell am besten auskennt, nämlich aus den Jahren zwischen Erstem und Zweitem Weltkrieg. Da wäre der junge Josef Apfelbeck, der Mutter und Vater ermordete, die ihn nie zur Entfaltung kommen ließen, der Bauer Lorenz Rettenbeck, der viele Jahre zu Unrecht für den angeblichen Mord an seiner Frau einsitzen musste, und schließlich das Dienstmädchen Maria Sandmayr, das pflichtbewusst damals unter Strafe stehende Waffendepots den Behörden meldete, jedoch für diesen Hinweis mit ihrem Leben bezahlen musste.

Aus der Nachkriegszeit hält Robert Hültner schließlich noch drei weitere Fälle parat, der letztere datiert mit dem Jahre 2004 sogar aus dem aktuellen Jahrtausend. Es ist für den Leser offensichtlich, wie sich durch beinahe alle Fälle ein roter Faden zieht, der die Entwicklungen hin zu einem späteren Mörder früh erkennen ließ. Die Saat für die Morde wurde oft bereits in frühester Kindheit gelegt, sei es durch saufende und schlagende Väter, durch mangelnde Aufmerksamkeit oder Achtung durch die Familien oder die lokale Gemeinschaft. Aus den dadurch in sich gekehrten Kindern und Jugendlichen wurden Zeitbomben, aus denen es schließlich eines Tages unweigerlich herausbrechen musste.

Dem Autor ist es exzellent gelungen, die acht Fälle in jeweils kompakte und überschaubare Darstellungen zu gießen. Mit rund vierzig bis fünfzig Seiten widmet Hültner den Fällen im Stile von Kurzgeschichten einen angemessenen Raum. Dabei legt er als Schriftsteller Wert darauf, dass nicht jeder Fall gleichartig erzählt wird, sondern unterschiedliche Erzählarten Verwendung finden. Mal wechselt er beständig zwischen den Ermittlungsarbeiten einer Sonderkommission im Hier und Jetzt und der Lebensgeschichte des Täters hin und her, mal zieht er einen Fall vom Ende her auf, mal hält er sich streng an die chronologische Entwicklung des Falles. Hültner weiß genau, welcher Fall welche Erzählweise benötigt, um den Leser bestmöglich zu unterhalten.

Klar ist natürlich, dass Hültner hier und da über die dokumentierte Faktenlage hinausgehen musste. Gespräche mit Zeitgenossen, die einen Einblick in das Seelenleben der Beteiligten eröffnen, waren aufgrund der vorangeschrittenen Zeit nicht mehr für alle Fälle möglich, so dass Hültner selbst versuchen musste, den inneren Antrieb der Protagonisten zu verstehen, um diesen entsprechend darstellen zu können. Herausgekommen ist schließlich ein höchst unterhaltsames zeitgeschichtliches Buch über zweihundert Jahre Morden in Bayern. Wer als Anhänger von "True Crime" bereits an den Kurzgeschichten Ferdinand von Schirachs seinen Gefallen fand oder wen die "Tannöd"- und "Kalteis"-Romane von Andrea Maria Schenkel ob ihres morbiden bayrischen Charmes begeisterten, der ist bei "Tödliches Bayern" perfekt aufgehoben.

Christoph Mahnel
28.04.2014

 
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Das Buch:

Robert Hültner: Tödliches Bayern

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München: btb Verlag 2014
352 S., € 19,99
ISBN 978-3-442-75429-8

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