Krimis & Thriller

Mord und Totschlag am Fuße der Rhön

Das Leben von Klaus Seeberg gleicht einem Scherbenhaufen. Der Tod seiner geliebten Tochter Laura hat das Familienleben der Seebergs vollends zerstört. Seine Frau hat den Kommissar sogleich nach der Beerdigung verlassen, so dass es nicht überrascht, dass Seeberg sich eines Tages auf einer Brücke widerfindet, bereit für den suizidalen Sprung. Doch just in diesem Moment ereilt ihn ein Anruf seines Vorgesetzten mit dem inständigen Flehen, wieder in den Dienst zurückzukehren. Die Fuldaer Polizei hat nämlich in einem Gewächshaus die Leiche eines Mannes entdeckt, deren Umstand auffällige Parallelen zu einem ungeklärten Mordfall aus Seebergs Vergangenheit aufweist. Der kriminalistische Geist in Seeberg ist geweckt, sein Wunsch, zu Laura zurückzukehren, wird hinten angestellt. Seeberg ist zurück im Dienst und beginnt die Jagd auf den Mörder der beiden Männer.

Zeno Diegelmann alias Tim Boltz hat mit "Rhönblut" seinen ersten Kriminalroman mit dem sehr eigenwilligen Kommissar Seeberg vorgelegt. Der Fuldaer Künstler hatte bis dato vor allem als Comedian und mit seinen Bühnenprogrammen zu glänzen gewusst, im Zuge dessen ist er auch als Autor einiger humoristischer Bücher hervorgetreten. Doch das vorliegende Buch ist todernst und als hundertprozentiger Krimi konzipiert. Diegelmann beweist mit diesem gelungenen Werk, dass er die seltene Gabe besitzt, sowohl die lustigen als auch die ernsten Töne spielen zu können.

Die Szenerie in "Rhönblut" erinnert ein wenig an die Frankfurter Julia-Durant-Romane zu ihren besten Zeiten. Der im Jahre 2011 verstorbene Andreas Franz ließ einst die Reichen und Schönen ihre Sexorgien sowie Gewalt- und Drogenexzesse am Frankfurter Lerchesberg ausleben, Diegelmanns Verdächtige tummeln sich auf dem Fuldaer Frauenberg. Die osthessische Diaspora gewinnt dank Diegelmann an Format, obgleich sich Kommissar Seeberg das entscheidende Puzzleteil schließlich in Frankfurt am Main einholen muss. Zum Showdown geht es dann hoch hinaus in die Rhön Richtung Wasserkuppe, wobei schlussendlich dem Titel des vorliegenden Romans alle Ehre gemacht wird.

"Rhönblut" ist als kleinformatiges Taschenbuch herausgegeben. Die Handlung findet auf lediglich 265 Seiten statt, die mit großer Schrift und ebensolchem Zeilenabstand daherkommen, so dass das Buch bei normaler Lesegeschwindigkeit locker in drei bis vier Stunden gelesen werden kann. Wenn der handelsübliche Krimi dem Vergleich mit einer "Tatort"-Folge standhält, dann hat man hier den Eindruck, sich in einer einstündigen Freitagabendsfolge von "Derrick" oder "Der Alte" zu befinden. Diegelmanns Schreibstil ist sehr flüssig gehalten, so dass viele Leser dieses Buch tatsächlich an einem einzigen Abend verschlingen werden. Obgleich der Umfang des Romans überschaubar ist, gelingt es dem Autor dennoch hervorragend, die Charaktere mit Konturen zu versehen und sie für den Leser anschaulich auszustaffieren.

Zeno Diegelmann dreht aufgrund der gebotenen Kürze keine Schleifen oder Extrarunden, sondern vollführt zusammen mit seinem Ermittlerteam eine konsequente Rallye bei der Jagd nach dem Mörder. Zu keinem Zeitpunkt entsteht der Eindruck, dass die Handlung stagniert oder vor sich hinplätschert. In der Kürze liegt die Würze, dies scheint das Credo des Autors beim Schreiben dieses Buches gewesen zu sein. Dennoch hat es ihn nicht daran gehindert, eine sehr durchdachte, vollkommen schlüssige und letztlich überraschende Geschichte zu erzählen. Der Hintergrund zu der vorliegenden Mordserie und den hilflosen Opfern ist äußerst brisant und stimmt den Leser nachdenklich, wenn er sich vor Augen führt, welches himmelschreiende Unrecht wohl noch immer an ähnlichen Unschuldigen begangen wird.

Der Epilog des vorliegenden Buches baut sogleich die Brücke zu einer Fortsetzung. Seebergs Tochter Laura war nämlich keines natürlichen Todes gestorben, sondern einem Gewaltverbrechen zum Opfer gefallen. Seeberg erhält zum Abschluss von "Rhönblut" einen mysteriösen Anruf, in dem ihm die Frage gestellt wird, ob er denn wissen möchte, wer seine Tochter getötet hat. Ein guter Grund für Seeberg, den geplanten Selbstmord noch weiter auf die lange Bank zu schieben. Die Fortsetzung "Finsterhain" wurde vom herausgebenden Aufbau Taschenbuchverlag bereits für den kommenden Sommer angekündigt. Es dürfte überraschen, wenn auch nur ein Leser von "Rhönblut" diese Fortsetzung verschmähen sollte.

Christoph Mahnel
09.12.2013

 
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Das Buch:

Zeno Diegelmann: Rhönblut

Berlin: Aufbau Taschenbuch 2013
268 S.,€ 9,99
ISBN 978-3-746-63004-5

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