Krimis & Thriller

Mord in Stockholm – anno dazumal

Die achtjährige Ingrid Bengtsson wird im September 1928 in einer verlassenen Stockholmer Werft tot und übel zugerichtet aufgefunden. Für die Ermittlungen wird der aufstrebende Kommissar John Stierna auserkoren. Mit großem Eifer geht er an den Fall heran und verspricht der Mutter des ermordeten Mädchens, dass er den Peiniger ihrer Tochter dingfest machen wird. Die Polizei konzentriert ihre Arbeit zunächst auf das familiäre Umfeld der Bengtssons, doch rasch zeigt sich, dass die brauchbarsten Spuren in eine andere Richtung führen. Mehrmals scheinen die ermittelnden Beamten dem Täter ganz nahe zu sein, doch scheitern sie letztlich dabei, den Mörder des kleinen Mädchens zu überführen.

Fünfundzwanzig Jahre nach dem Mord an Ingrid Bengtsson quittiert ein sichtlich gealterter und in psychischer wie physischer Hinsicht gebrochener John Stierna den Polizeidienst, ohne jemals die Niederlage im Fall Ingrid Bengtsson überwunden zu haben. Auf Gotland zieht er sich in seinen ersten Tagen als Pensionär in ein Hotel zurück, begegnet dort jedoch einem Journalisten, der eine Artikelserie über ungeklärte Mordfälle in Schweden schreibt. Zusammen rollen sie den Fall von 1928 noch einmal komplett auf. Doch die Zeit drängt, denn in wenigen Tagen läuft die fünfundzwanzigjährige Verjährungsfrist für Mord ab und somit die letzte Möglichkeit, den Mörder der kleinen Ingrid Bengtsson doch noch seiner gerechten Strafe zuzuführen.

"Der Mann im Park" lautet der Titel des in Schweden hoch gelobten und intensiv dekorierten Debüts von Pontus Ljunghill, einem Kriminologen, der selbst als Journalist arbeitet. Auf zwei zeitlich unterschiedlichen Erzählebenen schildert Ljunghill die Ermittlungsarbeit an einem Mordfall, der nicht nur das Leben eines lebenslustigen Mädchens und ihrer alleinerziehenden Mutter zerstörte, sondern letztlich auch John Stierna beruflich wie privat scheitern ließ. Der Leser muss mit ansehen, wie sich der Hoffnungsträger der Stockholmer Polizei von seinem unbedingten Ehrgeiz, den Fall lösen zu wollen, auf das berufliche Abstellgleis manövrierte. Als unangenehmen Nebeneffekt bringt John Stierna auch noch seine mit allen Zukunftsplänen ausgestattete Ehe ins Wanken und schließlich zu Fall.

Der vorliegende Schweden-Krimi, der keineswegs als Thriller, obgleich als solcher auf dem Cover deklariert, daherkommt, setzt sich von der breiten Masse nordischer Kriminalliteratur vor allem dadurch ab, dass er vor einem Dreivierteljahrhundert in der Vergangenheit spielt. Der Leser erwischt sich mehrfach dabei, dass er gängige Polizei- und Ermittlungsmethoden aus dem Hier und Jetzt anwenden möchte und dabei vergisst, dass gewisse liebgewonnene Möglichkeiten im Jahre 1928 einfach noch nicht praktikabel waren. Die düstere und melancholische Grundstimmung des vorliegenden Romans hat allerdings bereits das Niveau der Wallander- oder sonstiger Romane aus den Federn führender schwedischer Krimiautoren.

Die strukturierte Erzählmethode Ljunghills lässt den Leser zu keiner Zeit im Dunklen tappen. Die Wechsel zwischen den beiden zeitlichen Erzählsträngen in den Jahren 1928 und 1953 werden jeweils einleitend bekanntgegeben. Auch wenn bestimmte Aspekte aus der Sicht des Mörders zum Besten gegeben werden, ist dies durch Kursivschrift kenntlich gemacht, so dass der Leser sämtliche Gedanken und Aktivitäten zeitlich wie auch stets den entsprechenden Personen zuordnen kann. "Der Mann im Park" lebt keineswegs von der Spannung bei der Suche nach dem Mörder im Jahre 1928, denn durch das zeitliche Setup ist bereits von vorneherein klar, dass die Ermittlungen einst erfolglos gewesen sein müssen. Vielmehr stellt sich die Frage, ob Stierna und der Journalist Grönwall knapp fünfundzwanzig Jahre danach den Kampf gegen die Uhr gewinnen werden.

Bereits die Haptik des großformatigen Buches versetzt den Leser in die hoffnungsfrohe Erwartung, einen aufregenden und großartigen Krimi in Händen zu halten. Das gelungene Titelbild passt hervorragend zur melancholischen Grundstimmung des Romans, während einen das für ein Taschenbuch ungewöhnliche Buchgefühl, das einem für die 560 Seiten des Romans ziemlich mächtig erscheinen mag, gleich zu Beginn in die passende Stimmung versetzt. Es veranlasst den Leser sogleich dazu, sich in den kommenden Tagen viel Zeit zu reservieren, um sich auf die Reise in ein hinsichtlich Gesellschaft wie auch Polizeiarbeit altmodisches Schweden zu begeben, das einen gelungenen Kontrast zum Schweden der Mankells und Nessers darstellt.

Christoph Mahnel
16.09.2013

 
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Das Buch:

Pontus Ljunghill: Der Mann im Park. Aus dem Schwedischen von Christel Hildebrandt

München: Heyne Verlag 2013
560 S., € 16,99
ISBN: 978-3-453-26838-8

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