Krimis & Thriller

Es wird weiter gemordet

Mit dem pl?tzlichen Tod von Andreas Franz im M?rz 2011 schienen auch die Hauptdarsteller seiner Romane j?h aus dem Leben gerissen worden zu sein. Aufgrund des Ablebens ihres geistigen Vaters war f?r Julia Durant, Peter Brandt und S?ren Henning nicht zu erwarten, dass ihre pers?nlichen Entwicklungen eine Fortsetzung finden w?rden. Doch hat sich der Knaur Verlag als Herausgeber der Romane von Andreas Franz zu einem riskanten, aber zugleich medienwirksamen Coup durchgerungen, indem er die in Frankfurt angesiedelte Julia-Durant-Reihe von einem jungen aufstrebenden Schriftsteller fortf?hren l?sst.

Noch kurz nach dem Tode des deutschen Autors hatte Knaur auf seiner Website zun?chst vermeldet, dass der Roman mit dem Arbeitstitel "Todesmelodie", an dem Franz bis zu seinem Ableben gearbeitet hatte, nicht mehr erscheinen w?rde. Doch einige Monate sp?ter folgte mit der Ank?ndigung des vorliegenden Romans die ?berraschende Kehrtwende. Der Verlag hatte mit dem bis dato nahezu unbekannten Daniel Holbe einen Schriftsteller aus der Region gewinnen k?nnen, der die Arbeit von Andreas Franz und "Todesmelodie" fortf?hren w?rde. Entsprechend gro? war nat?rlich die Vorfreude, aber auch die Skepsis der Franz-Leser bez?glich des einmaligen und h?chst ungew?hnlichen Gemeinschaftsproduktes.

Julia Durant hat nach ihren schockierenden Erlebnissen in "M?rderische Tage" eine Auszeit von ?ber einem Jahr ben?tigt, um wieder in ihren Beruf zur?ckkehren zu k?nnen. Dort wird sie sogleich in die Ermittlungen am Mordfall einer kanadischen Studentin hineingezogen. Augenscheinlich hat Jennifer Mason ihr Lebensende im Rahmen einer Party gefunden, deren Stimmung von zun?chst orgiastisch sp?ter in bestialisch gekippt zu sein scheint. Die T?ter sind schnell gefunden und verurteilt. Als jedoch knapp zwei Jahre sp?ter Morde in Frankfurt geschehen, die in einigen Details dem Fall Mason ?hneln, sch?pfen Julia Durant und ihre Kollegen einen schrecklichen Verdacht - insbesondere dank einer bestimmten Melodie, die an den verschiedenen Tatorten die abscheuliche Szenerie untermalt.

Das Experiment, eine erfolgreiche Krimireihe nach dem Tod von Andreas Franz durch einen anderen Schriftsteller fortzuf?hren, ist mit "Todesmelodie" vollauf gelungen. Das gr??te Kompliment, das man Daniel Holbe machen kann, ist, dass es selbst dem Franz-erfahrenen Leser nicht m?glich ist, im Buch explizite Holbe- oder Franz-Passagen zu identifizieren. Es mag daher lediglich der anf?nglichen Skepsis geschuldet sein, dass beim Lesen dennoch das unterbewusste Gef?hl aufkommt, dass anders als bei fr?heren Franz-Romanen der Lesefluss in G?nze ein wenig ins Stocken ger?t. Doch kann diese scheinbare Beobachtung auch nur dem Wissen um die besondere Konstellation geschuldet sein.

Daniel Holbe kam zu diesem au?ergew?hnlichen Projekt wie die Jungfrau zum Kinde, nachdem eigene eingereichte Werke in der Vergangenheit zumeist auf Ablehnung bei Verlagen gesto?en waren. Doch das ?berraschende und einem Sechser im Lotto gleichkommende Angebot des Knaur Verlags, die Franz?sche Vorarbeit zu "Todesmelodie" zu vollenden, nahm er als einmalige Chance wahr und nutzte es eindrucksvoll. Neben dem posthumen Anteil von Andreas Franz ist der Erfolg dieses Krimis vor allem der akribischen Einarbeitung Holbes zuzuschreiben, der sich nach eigener Aussage intensiv sowohl in den Schreibstil des Erfolgsautors als auch in das Leben der Protagonisten von der Frankfurter Mordkommission hineingearbeitet hat.

Die F?lle aus der Julia-Durant-Reihe haben auch nach der ?bernahme durch Daniel Holbe nichts von ihrer Grausamkeit eingeb??t. Wer sich mit der Frankfurter Kommissarin auf Verbrecherjagd begibt, der sollte wissen, dass er den Abgr?nden menschlicher Perversion begegnen wird. In der Metropole am Main wird n?mlich nicht nur einfach gemordet, sondern abartigen Trieben freien Lauf gelassen. Im vorliegenden Fall f?hrt die Spur hin zu "Snuff Videos", einem Filmgenre, von dem zarte Gem?ter besser nicht einmal die Bedeutung kennen sollten.

Einen Sidekick erf?hrt in "Todesmelodie" mit dem Offenbacher Hauptkommissar Peter Brandt eine weitere von Andreas Franz geschaffene Romanfigur. Ob jedoch er oder vielleicht auch sein Kieler Pendant S?ren Henning eine Fortsetzung finden werden, steht noch in den Sternen. Dass "Todesmelodie" f?r die Julia-Durant-Reihe jedoch keine posthume Eintagsfliege bleiben wird, ist bereits beschlossene Sache. Vor kurzem wurde f?r das kommende Fr?hjahr mit "T?dlicher Absturz" n?mlich bereits die Fortsetzung aus der Feder Daniel Holbes angek?ndigt. Ob dann allerdings Andreas Franz als "Autor" noch seine Daseinsberechtigung hat oder sein Name lediglich als verkaufsf?rderndes Zugpferd herhalten soll, wird vom herausgebenden Verlag sicherlich noch zu ?berdenken sein.

Christoph Mahnel
04.06.2012

 
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Das Buch:

Andreas Franz, Daniel Holbe: Todesmelodie. Ein neuer Fall für Julia Durant

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München: Knaur Taschenbuch Verlag 2012
432 S., € 9,99
ISBN: 978-3-426-63944-3

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