Krimis & Thriller

Für Krimi-Fans und Feinschmecker

In der ländlichen Abgeschiedenheit des Périgord wird ein Brandanschlag auf eine dort ansässige Einrichtung eines Forschungslabors verübt. Der Sohn eines US-amerikanischen Wein-Magnaten kommt ins liebliche Saint-Denis, um dort ein großes Weinbaugebiet aufzukaufen. Eine umtriebige kanadische Schönheit verdreht der Männerwelt in Saint-Denis den Kopf und scheint weit mehr auf ihrer Agenda zu haben, als sie vorgibt. Darüber hinaus ist eine eigentlich friedfertige Öko-Kommune am Rande von Saint-Denis ins Visier der Ermittlungen gelangt. Inwieweit hat das eine mit dem anderen zu tun?

Fragen über Fragen stürzen ein auf Bruno Courrèges, Chef de Police der kleinen Gemeinde von Saint-Denis. Auf Grund der überregionalen Aufmerksamkeit der Vorfälle werden ihm Nationalpolizei und Geheimdienst zur Seite gestellt, die beide mit ein wenig Überheblichkeit versuchen, den kleinen Dorfpolizisten für ihre Interessen vor den eigenen Karren zu spannen. Dabei lassen sie jedoch außer Acht, dass Bruno Land und Leute kennt und damit alleine die notwendigen Voraussetzungen für das Erkennen der Zusammenhänge mit sich bringt. Der Protagonist ist seit seiner Rückkehr aus dem Balkan-Krieg ein integraler Bestandteil des Lebens in Saint-Denis. Er trainiert die örtlichen Nachwuchsmannschaften im Rugby, er geht ein und aus auf den Märkten und in den Cafés von Saint-Denis. Vor allem besticht er in seiner Ermittlungsarbeit durch die Nähe zu den Einwohnern und versteht es, fünf auch gerne einmal gerade sein zu lassen und die Bedürfnisse und Animositäten seiner Mitmenschen richtig einzuordnen - zumindest besser als alle aus der Provinzhauptstadt oder aus Paris hinzugezogenen Paragraphenreiter.

Martin Walker hat mit dem vorliegenden Roman eine neue und erfolgversprechende Reihe begründet: "Grand Cru" ist nach dem im vergangenen Jahr erschienenen "Bruno Chef de Police" nun bereits sein zweiter Périgord-Krimi mit der überaus sympathischen Gestalt des Bruno Courrèges. Walker, der selbst zeitweise im Périgord lebt, lässt mit der Bruno-Reihe seiner Liebe zum Essen, zum Wein und zur bezaubernden Landschaft des Périgord freien Lauf. Kulinarisch fühlt man sich, was die Qualität der Speisen und die Ausführlichkeit der Beschreibungen betrifft, mindestens so wohl wie am Esstisch im Hause Brunetti. Im Gegensatz zu seinem italienischen Kollegen hat sich der begehrte Single Bruno aber noch nicht so recht für ein Leben in Zweisamkeit bzw. für eine Familie entscheiden können. In "Grand Cru" taucht nicht nur seine Affäre Isabelle aus dem ersten Buch wieder auf, sondern auch neue Gefühle Brunos für eine in Saint-Denis ansässige und attraktive Engländerin. Hier scheint genügend leidenschaftlicher Sprengstoff für die kommenden Fälle gelegt zu sein. 

Walker verankert "Grand Cru" jedoch nicht nur auf den beiden Standbeinen eines schlüssigen Kriminalfalls und der Rubrik "Schönes und leckeres Frankreich", sondern er schafft es auch, ein handfestes aktuelles Thema im Rahmen der Geschichte zu platzieren, das beim Leser nachhaltiges Interesse weckt: Walker thematisiert die Vor- und Nachteile genmanipulierten Anbaus und die aktuellen ökologischen und ökonomischen Probleme des Périgord, indem er sowohl die Interessen der kommunalen Politiker am Einstieg eines ausländischen Investors zu Wort kommen lässt, aber auch den Ideen ökologischen Weinbaus Gehör verschafft. Nachdem Walker in Brunos erstem Fall das in Frankreich auch heute noch sehr widersprüchlich diskutierte Vichy-Regime geschickt in die Handlung integriert hat, gelingt es ihm auch dieses Mal wieder, einen sich vom ganzen Rest der Kriminalliteratur absetzenden, weil besonderen Roman geschaffen zu haben.

"Grand Cru" ist ein kleiner Frankreich-Urlaub fürs heimische Sofa. Feinschmecker kommen bei der Schilderung der Schlemmerrunde bei Bruno voll auf ihre Kosten: Wie dort Schnepfen und die cremigen Schnepfenexkremente auf geröstetem Brot als Delikatesse gereicht werden, ist wahrlich ein Schmaus. Noch läuft Walkers Bruno als Geheimtipp, aber es ist bereits abzusehen, dass sich die Reihe in den kommenden Jahren bei einer Fortführung auf dem bisherigen Niveau sicherlich zu einer ganz großen Erfolgsstory entwickeln wird. Wie schon bei Donna Leons venezianischem Kommissar Guido Brunetti und Petros Markaris´ griechischem Pendant Kostas Charitos hat der Diogenes Verlag wieder einmal sein gutes Näschen für erfolgversprechende Literaturreihen bewiesen und Martin Walker frühzeitig unter seine Fittiche genommen.

Christoph Mahnel
25.05.2010

 
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Das Buch:

Martin Walker: Grand Cru. Der zweite Fall für Bruno, Chef de Police. Aus dem Englischen von Michael Windgassen

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Zürich: Diogenes Verlag 2010
384 S., € 21,90
ISBN: 978-3-257-06750-7

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