Krimis & Thriller

Von den Anfängen eines Hackers

Anfang der Nuller Jahre lässt der junge Enrico Radeschi seine Heimat in der norditalienischen Provinz hinter sich und macht sich auf nach Mailand, um dort seinen Traum als Journalist Wirklichkeit werden zu lassen. Allerdings macht sich sehr schnell Ernüchterung breit, da die Trauben ziemlich hoch hängen. Doch Enrico hat genug Biss und lässt sich nicht so leicht entmutigen. Zupass kommt ihm dabei, dass in Mailand auf offener Straße ein bekannter Anwalt ermordet wird und Enrico dabei Beobachtungen macht, anhand derer er recherchieren kann und die ihn auf den Weg zu einer interessanten Story führen. Weitere Morde und mehrere verschwundene Männer unterstützen Enricos These, dass hier eine mysteriöse Bruderschaft am Start ist, die eine große Verschwörung plant, um die Welt an den Abgrund zu führen.

"Das Blut in den Straßen von Mailand" lautet der Titel des neuesten Romans aus der Feder von Paolo Roversi. Der italienische Schriftsteller hat in den vergangenen Jahren viele Erfolge mit seinen in der lombardischen Metropole angesiedelten Krimis feiern dürfen. Für seinen in Deutschland 2013 erschienenen Roman "Milano Criminale" durfte er einige renommierte Preise entgegennehmen. Erste Bekanntheit erlangte er jedoch sowohl in seiner Heimat als auch hierzulande mit seinen Enrico-Radeschi-Krimis. "Die linke Hand des Teufels" und "Tödliches Requiem" waren aus dieser Reihe bereits in deutschen Übersetzungen erschienen, bevor sich der Autor erstmal von seinem bevorzugten Protagonisten schriftstellerisch distanzierte. Mit "Das Blut in den Straßen von Mailand" springt er nun zeitlich in bester Star-Wars-Manier vor seine bisherigen Werke und präsentiert einen Enrico Radeschi, der sich erste Sporen als investigativer Journalist in Mailand zu verdienen versucht.

Der Leser wird im vorliegenden Fall Zeuge davon, wie Enrico den Grundstein für seine spätere Hacker-Karriere legt. Sein WG-Mitbewohner Fabio, ein IT-Nerd vom Feinsten, lehrt ihn das Hacken von der Pike auf. Als Gegenleistung muss Enrico ihn täglich bekochen, eine Win-Win-Situation für alle. Enricos erste Begegnung mit Loris Sebastiani, dem Vorzeige-Bullen Mailands, verläuft recht schroff. Doch erkennen die beiden rasch, dass sie sehr gut voneinander profitieren können. Dies ist angesichts der Bedrohung durch die mit viel Prominenz aus Wirtschaft und Justiz durchsetzte Bruderschaft auch dringend geboten. Ein perfider, in wirren Köpfen gefasster Plan ist kurz davor, umgesetzt zu werden. Der Schaden für Mailand und mutmaßlich die gesamte Welt wäre immens. Erste Hacks von Enrico führen ihn schließlich zu den entscheidenden Handlangern, die sich allerdings physisch zu wehren wissen. Roversi sorgt dafür, dass Enrico viel abverlangt wird, in dessen allererstem Fall.

Der Autor erklärt in einem sehr persönlichen Nachwort seine Beweggründe dafür, diesen Fall aus den frühen Mailänder Jahren seines Protagonisten jetzt nachzuliefern. Auch verrät er dabei, dass er weitere Fortsetzungen keinesfalls ausschließt. Für Neueinsteiger ergibt sich nun die wunderbare Gelegenheit, Versäumtes nachzuholen und sich die anderen, später angesiedelten Fälle mit Enrico Radeschi zu Gemüte zu führen. Roversi pflegt sicherlich einen alternativen und etwas gewöhnungsbedürftigen Schreibstil. So hat man insbesondere bei der einen oder anderen Do-or-Die-Situation das Gefühl, dass der Autor diese eigentlich elektrisierenden Momente etwas gelangweilt und nicht länger als nötig abhandeln möchte. Trotzdem schafft er es, den Leser zu fesseln und beständig bei der Stange zu halten. Darüber hinaus integriert er ähnlich wie schon in "Milano Criminale" einige historische Begebenheit wie 9/11, die Euro-Einführung oder den Giro d´Italia 2002 in die Handlung.

"Das Blut in den Straßen von Mailand" macht Lust auf ein paar Tage in dieser Stadt. Paolo Roversi lebt selbst in Mailand und geht dort seiner Tätigkeit als Journalist und Autor nach, was ihn dafür prädestiniert, seine Wahlheimat im Plauderton zu einer Hauptdarstellerin im Roman werden zu lassen. Nach dem Tod von Umberto Eco ist es beileibe nicht an der Tagesordnung, dass italienische Autoren auf dem deutschen Markt mit der Selbstverständlichkeit verlegt werden, die für Paolo Roversi gilt. Doch geschieht dies völlig zu Recht, da Roversi seit einigen Jahren höchste Qualität abliefert und mit seinen Kriminalgeschichten aus unterschiedlichen Epochen der jüngeren mailändischen Geschichte seine Leser zu begeistern versteht. Ob nun ein weiterer Enrico-Radeschi-Roman als nächstes entsteht oder wieder einmal etwas ganz anderes? Egal, auf jeden Fall wird dabei etwas Hochwertiges aus der Feder Roversis fließen. So viel ist sicher!

Christoph Mahnel
07.01.2019

 
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Das Buch:

Paolo Roversi: Das Blut in den Straßen von Mailand. Kriminalroman. Aus dem Italienischen von Esther Hansen

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Berlin: Ullstein Buchverlage 2018
432 S., € 10,00
ISBN: 978-3-548-28997-7

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