Kinder- & Jugendbücher

Eine ganz normale Ausreißergeschichte – oder doch nicht?

Do van Ranst gelingt mit seinem Jugendroman "Dünn" etwas Außergewöhnliches: Die Geschichte, die erzählt wird, ist am Ende nicht so, wie sie am Anfang erschien.

Der Leser wird direkt in das Geschehen hineingeworfen. Fee, die Tochter eines bekannten Schauspielers, reißt von zu Hause aus, um ihrem Vater und dessen neuer Lebensgefährtin eins auszuwischen. Besonders auffällig ist hier, dass es ihr in der Stadt vor allem darum geht, zu essen. Dem Leser fällt schnell auf, dass sie ungeheure Mengen an Nahrungsmitteln zu sich nehmen kann, aber dennoch sehr dünn ist. Mit der Zeit kommt zu Tage, dass Fees Vater aufgrund seines Gesundheitswahns seine eigene Frau, Fees Mutter, in den Tod getrieben hat. Fee lernt unterdessen den Ober Kjel und den Jungen Pim kennen. Welche Bedeutung hat die weiße Katze, die Fee den Weg zu zeigen scheint? Wird ein Abend mit Kjel so enden, wie Fee ihn sich mehr oder minder erhofft? Und ist Fees Geschichte / Sicht der Dinge überhaupt wahr?

Die Geschichte um Fee ist sehr eingängig geschrieben und weckt bei dem Leser die Neugier, herauszufinden, was denn eigentlich mit dem Mädchen los ist, das sich zum Teil wirklich merkwürdig verhält. Auch die Sache mit den riesigen Mengen an Essen, die sie zu sich nehmen kann, macht stutzig. Man fragt sich von Anfang an, was genau mit ihrer Mutter geschehen ist und wie schlimm die Beziehung zwischen Fee und ihrem Vater ist. Dabei neigt der Leser dazu, überraschend schnell Fees Sichtweise der Dinge anzunehmen und sich ihre eigene Meinung zu eigen zu machen. Auch regt sich sehr schnell Mitleid für das arme Mädchen, das scheinbar völlig unterernährt scheint und einen verzweifelten Kampf kämpft, um endlich nicht mehr dünn sein zu müssen. Obwohl relativ schnell klar ist (oder klar zu sein scheint), dass die Mutter an Unterernährung gestorben ist, kommt das Ende des Buches durch einen großartig eingesetzten Perspektivenwechsel sehr unerwartet. Um den Überraschungseffekts am Ende nicht vorwegzunehmen, kann in dieser Rezension leider nicht darauf Bezug genommen werden.

Dieses Jugendbuch besticht durch sein ernstes Thema, durch die Bedeutung der weißen Katze, die auch auf dem Cover zu sehen ist und eine relativ große Rolle für die Handlung spielt sowie durch das Innenleben der Protagonistin Fee, das man nur allzu gut nachvollziehen kann. Vor allem der Einsatz eines Perspektivenwechsels führt dazu, dass der Leser eine völlig neue Sicht auf die Dinge entwickelt. Do van Ranst versteht es, seine Leser in seinen Bann zu schlagen und trotz des Themas einen leichten und teils zum Schmunzeln anregenden Stil zu verwenden. Jeder, der Lust auf einen Roman hat, bei dem das Ende nicht von vorneherein feststeht und der Überraschungen mag, sollte unbedingt zu diesem Buch greifen und es den Rest des Tages nicht mehr aus der Hand legen!

Jana Gengnagel 
08.12.2014

 
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Das Buch:

Do van Ranst: Dünn. Aus dem Niederländischen von Andrea Kluitmann

Hamburg: Carlsen Verlag 2014
192 S., 12,90€
ISBN: 978-3-551-58295-9

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