Kinder- & Jugendbücher

Ein bewegendes Buch zu einem erschreckenden Thema

In einer Zeit, in der klapperdürre Models über die Catwalks dieser Welt laufen und Kleidergröße "null" (spricht 32) als "in" gilt, ist das Thema Magersucht aktueller denn je. Inzwischen hat selbst die Medienwelt erkannt, dass es nicht der richtige Weg sein kann, normalen Mädchen in dem Glaube zu lassen: dünn bis auf die Knochen = hübsch und attraktiv. Oder wie können junge Mädchen ein Vorbild sein, die an Herzversagen nach Mangelernährung sterben so wie jüngst die 18-jährige Eliana Ramos? Aus diesem Grunde ist ein Buch wie Laurie Halse Andersons "Wintermädchen" umso wichtiger, denn es ist eine von vielen Möglichkeiten, um Mädchen die Folgen von Anorexia nervosa auf ungeschönte Weise vorzuführen.

Die besten Freundinnen Lia und Cassie haben vor langer Zeit einen heiligen Schwur geleistet. Sie wollen die dünnsten Mädchen der Schule werden und lassen sich von nichts und niemandem davon abbringen. Lia ist ihrem Traumgewicht von 41 Kilo ganz nah. Und wenn sie dieses endlich erreicht hat, erfüllt sich damit ihr größter Wunsch: so leicht zu sein, dass sie (fort-)fliegen kann. Doch dann erleidet sie einen schweren Schlag in die Magengrube, der sie (fast) aus der Bahn wirft: Cassie wurde in einem Motelzimmer tot aufgefunden. Der Schock wird umso vergrößert, wenn man daran denkt, dass Cassie kurz vor ihrem Tod mehrmals versucht hat, ihre einstige beste Freundin zu erreichen. Doch statt ans Telefon zu gehen, ließ sie den Anrufbeantworter anspringen und damit ihre "Leidensgenossin" in ihrer schwersten Stunde hängen. Ihren Fehler kann sie nicht mehr rückgängig machen, aber dafür kann sie den Stimmen in ihrem Kopf nachgeben, die ihr befehlen zu hungern.

Ihre Familie belügt sie, indem sie ihr vormacht, vor wenigen Minuten etwas gegessen zu haben, und auf der Waage mit versteckten Geldmünzen wenige Pfund mehr dazu schummelt. Aber sie belügt auch sich selbst, wenn sie sich sagt, dass sie das köstlich duftende Stück Pizza nicht essen möchte, oder behauptet, sie sei satt. Doch das Schlimmste für Lia ist der Kreislauf aus Lüge, Schuld und Verrat, den sie nicht von allein zu durchbrechen vermag. Erst als sie Elijah kennenlernt, keimt ein kleiner Hoffnungsschimmer auf, denn der einsame Kampf, den sie gegen ihre Familie, Freunde und die tote Cassie führt, droht Lia zu ersticken. Doch hat Elijah die Kraft, um für ein Mädchen da zu sein, dessen Bekanntschaft er erst vor wenigen Stunden gemacht hat? Oder lässt er sie im Stich wie die anderen? Denn was er nicht weiß: Cassie wartet auf Lia in der Welt der Wintermädchen.

Laurie Halse Andersons Jugendroman "Wintermädchen" ist so berührend, beängstigend und fesselnd geschrieben, dass die Geschichte einem bei der Lektüre unter die Haut geht und nach dem Zuklappen ein Hungergefühl nach Leben, Spaß und Action beim Leser hinterlässt. Es ist ein nachdenkliches Buch, das einem ein reales Bild junger Mädchen zeigt, das verschreckt und zugleich eine Faszination auf den Leser ausübt, der sich dieser "Schönheit" partout nicht entziehen kann. Das liegt nicht zuletzt an dem außergewöhnlichen Sprachstil, dessen sich Anderson hier bedient und mit dessen Hilfe man sich unmittelbar in der Geschichte wiederfindet. Umso beklemmender wird von Seite zu Seite die Handlung, die letztendlich wachrütteln soll. Und das tut der Roman auch - wenn auch auf eine erschreckend schonungslose Art und Weise.

Susann Fleischer
27.09.2010

 
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Das Buch:

Laurie Halse Anderson: Wintermädchen. Aus dem Amerikanischen von Salah Naoura

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Ravensburg: Ravensburger Buchverlag 2010
320 S., € 16,95
ab 13 Jahren
ISBN: 978-3-473-35321-7

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