Kinder- & Jugendbücher

Vergangenheit im Spiegel

Wenn Kinder sehnsüchtig auf den neuen Band eines Autors warten, muss es nicht immer nur Joanne K. Rowling oder Cornelia Funke sein – Kevin Crossley-Holland hat auch seine treue Gemeinde. Im ersten Band “Artus – der magische Spiegel” beginnt der Autor mit der Schilderung des Lebens von Artus de Caldicot, 12 Jahre alt. Der Junge lebt im Grenzland zwischen England und Wales um das Jahr 1200. Merlin, ein alter Mann, schenkt Artus einen Spiegel, in dem er Ereignisse aus längst vergangener Zeit sehen kann – er erblickt im Spiegel das Leben seines Namensvetters, des späteren Königs Artus. Es gibt erstaunliche Parallelen im Leben der beiden Artus’. Der Folgeband beginnt mit Artus’ erstem Tag als Knappe von Lord Stephen und schon an diesem Tag werden entscheidende Weichen gestellt. Der Lord plant eine Reise ins Heilige Land und dazu bedarf es gewaltiger Vorbereitungen. Artus muss nicht nur eine Menge lernen, seine Gedanken kreisen auch immer wieder um die Frage: Wer ist meine Mutter? Dazu kommt noch das seltsame Gefühl, wenn er Winnie, die Nichte von Lord Stephen, sieht und zu alledem hat er immer noch den Spiegel, in dem sich aufregende und auch schreckliche Szenen darstellen – was möchte ihm der Spiegel sagen? Er erblickt Artus und die Tafelrunde in ihrer Größe und Ritterlichkeit, aber auch Kampf und Hoffnungslosigkeit, Schmerz und Trauer. Wie das Leben von Artus im Spiegel wird auch der Alltag für den mittlerweile 14 Jahre alten Artus aus dem Mittelalter immer komplizierter.

Kevin Crossley-Holland schreibt so spannend, dass das Buch dem jungen Leser nicht vor einer wichtigen Schulaufgabe vor Augen kommen sollte – man kann nicht einfach mittendrin aufhören zu lesen! Der erste Teil ist bereits preisgekrönt, auch der zweite steht in der Qualität in nichts nach. Crossley-Holland hat sorgsam recherchiert und die Artussage, die bis zum heutigen Tag zu den faszinierendsten zählt, aus zahlreichen Blickwinkeln beleuchtet. Wie ein Edelstein im Licht funkelt und glitzert, scheinen bei Crossley-Holland immer neue Eindrücke und Facetten auf, eng verwoben mit der tagebuchartigen Schilderung des mittelalterlichen Artus.

Kinder und Jugendliche stellen sich häufig unausgesprochen die Frage: Was ist die Aufgabe in meinem Leben? Genau dieses Problem bewegt auch Artus im Buch. Wie so viele Kinder bis heute sucht er seinen Platz in der Welt und seine Mutter, die für ihn verloren ist. Im zweiten Band kommt er seinen Fragen schon ein gewaltiges Stück näher, findet im glatten Lebensfels den einen oder anderen kleinen Vorsprung, in den er sich krallen und weiterklettern kann, aber noch sind viele Punkte offen, die Spannung bleibt also erhalten bis zum nächsten Band.

Bücher sind mehr als nur reiner Inhalt. Ein Buch in der Hand zu halten ist auch ein sinnliches Erlebnis. Es macht einen spürbaren Unterschied, ob ein Buch handwerklich sorgsam gestaltet ist, mit Initialen am Kapitelanfang, mit Bildern, mit einer Karte im vorderen Teil, gebunden und mit Schutzumschlag versehen – hier spürt gerade der junge Leser, dass er etwas Wertvolles in Händen hält, anders als Plastikfolie mit Papier dazwischen. Dass der Autor einen gut verständlichen Anhang mit Worterklärungen bietet, ist heute keine Selbstverständlichkeit mehr, sondern ein Service, der auch Kindern und Jugendlichen zeigt, dass man sie ernst nimmt. So bietet dieses Buch nicht nur hochspannende Lektüre, sondern auch eine liebevolle Gestaltung und ist von daher im besten Sinne ein Jugendbuch.

csc
02.02.2003

 
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Das Buch:

Kevin Crossley-Holland: Artus. Zwischen den Welten. Aus dem Englischen von Alexandra Ernst

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Stuttgart: Verlag Urachhaus 2002
383 S., € 17,50
ISBN: 3-8251-7359-3

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