Kinder- & Jugendbücher

Der Tod und das kleine Mädchen

Bücher vermögen die Fantasie anzuregen und für einige Augenblicke die Realität auszusperren. Doch wenn man arm ist, kann man sich keine Bücher kaufen, sondern muss sie sich auf anderem Wege besorgen: Diebstahl. So stiehlt auch Liesel in Markus Zusaks Roman "Die Bücherdiebin" mit Vorliebe Bücher.

Liesel Meminger und ihr kleiner Bruder sind mit ihrer Mutter auf dem Weg nach München zu ihren zukünftigen Pflegeeltern, als der Junge im Zug stirbt. Die Beerdigung findet im Schnee statt. Noch völlig traumatisiert von dem Erlebnis bemerkt Liesel auf einmal ein Buch, das einem der Totengräber aus der Tasche gefallen ist. Statt es ihm zurückzugeben, nimmt sie es mit sich, in der Hoffnung, es einmal lesen zu können. Nach diesem schmerzvollen Abschied erfolgt der zweite in Molching bei München, als Liesel und ihre Mutter bei Hans und Rose Hubermann ankommen, die Liesel bei sich aufnehmen.

Anfangs völlig abweisend, öffnet sich die kleine angehende "Bücherdiebin" dem Pflegevater, der sie mit seinen silbrigen Augen in seinen Bann zieht. Als Liesel einen Alptraum hat und das Bett durchnässt, entdeckt er das von Liesel gestohlene "Handbuch für Totengräber". Dies führt zur "Mitternachtsklasse", in der Hans Hubermann Liesel das Lesen beibringt. Zum Geburtstag Adolf Hitlers erhält Liesel eine Chance, ein zweites Buch zu ergattern. Sie rettet es aus dem Feuer. Es findet nämlich zu Ehren des Führers eine Bücherverbrennung statt. Liesel kann ein Buch retten und bewahrt es auf. Doch eins führt zum anderen: Sie fängt an, Bücher zu stehlen, teils zusammen mit ihrem besten Freund Rudi, aber manchmal auch allein. Ein Großteil davon stammt aus der Bibliothek der Bürgermeistergattin.

Doch nicht nur dies zeichnet Liesel aus, sondern auch die Zuneigung zu dem im Keller versteckten Juden Max. Einst hat dessen Vater Hans Hubermann im Ersten Weltkrieg das Leben gerettet. Nun kann dieser ihm endlich auch einen Gefallen tun und ihm danken, indem er Max vor der Gestapo versteckt. In dieser Zeit freunden sich das kleine Mädchen und der junge Mann an. Sie verbringen zusammen Stunden im Keller und Liesel liest Max, als dieser ernsthaft erkrankt, jeden Tag aus einem Buch vor. Sie bringt ihm 13 Geschenke (u. a. ein platter Fußball, ein Knopf, ein Blatt und sogar ein Stück Wolke), in der Hoffnung, dass er sich diese bald genauer betrachten kann. Und Liesels Wünsche werden erhört: Max wacht eines Tages wieder auf und wird von Tag zu Tag kräftiger. Doch eines Tages muss er das Haus verlassen und sich alleine durchschlagen. Außerdem muss Liesel mit ansehen, wie die Juden durch Molching getrieben werden, ohne Aussicht auf eine Zukunft. Sie erlebt die Bombennächte mit und überlebt.

Liesel ist anfangs ein verängstigtes kleines Mädchen, das sich mit Fremden arrangieren muss. Anfangs erscheint Rose Hubermann sehr ruppig, geprägt durch ihren Schimpfwortschatz. Doch hinter dieser Fassade versteckt sich eine liebevolle Frau, die eigentlich nur eines möchte: Liesel glücklich sehen. Rudi, Liesels bester Freund, erscheint als Möchtegern-Draufgänger, dem die Freundschaft zu Liesel sehr viel bedeutet. Am Ende stellt Liesel für sich fest, dass sie doch eigentlich mehr als nur rein freundschaftliche Gefühle für ihn hegt. Auch andere Figuren in diesem Roman erscheinen anfangs nicht so, wie sie tatsächlich sind. Entweder verstecken sie sich hinter einer Fassade oder Liesel bewirkt mit ihrem Vorlesen (u. a. im Luftschutzkeller) eine Veränderung.

In die Handlung eingestreut sind liebevolle Skizzen, die Max während seiner Zeit im Keller der Hubermanns anfertigt. Damit erscheint die Geschichte lebendiger und wirft ein anderes Licht auf die Hauptakteurin Liesel Meminger. Das Buch erscheint wie ein kleines Stück, das ohne viele Dialoge auskommt. Es lebt von den Andeutungen oder Kommentaren des Erzählers. Dieser ist der Tod selbst, der Liesel dreimal von weitem sieht, bis er sie eines Tages auch abholt. Er schildert seine Eindrücke von den Geschehnissen des Zweiten Weltkrieges und zeigt, dass es auch Hoffnung gibt, in Form eines kleinen Mädchens, das Bücher stiehlt.

Susann Fleischer
16.02.2009

 
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Das Buch:

Markus Zusak: Die Bücherdiebin. Aus dem Englischen von Alexandra Ernst

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München: cbj Verlag 2008
592 S., € 19,95
ab 12 Jahren
ISBN: 978-3-570-13274-6

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