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Kinder- & Jugendbücher

Mir konnte keiner was!

Der Verlag legt ein Bilderbuch vor, das mehr ist. Es ist soviel, daß, um es gleich vorweg zu sagen, es gewiß kein Kinderbuch ist. Es ist soviel Kinderbuch wie ein Agatha-Christie-Thriller ein Kinderfilm ist.

Gleichzeitig werden vier Geschichten erzählt: 1. Ein sterbender Großvater erzählt seinem Enkel Geschichten aus gelebtem Leben. 2. Dabei spielt sein Schutzengel eine wichtige und eigene Rolle. 3. Der Betrachter erfährt von der Rezeptionstechnik der neuen Generation, von der Leichtigkeit und Selbstverständlichkeit, mit der jede neue Generation wieder von vorn beginnt und dennoch anknüpft. 4. Und nicht zuletzt wird auch die Geschichte unserer immer neu gefahrenvollen Welt erzählt, die je nach Perspektive auch absurd wirkt und die Sinnfrage aufwirft.

Ein schlanker Text steht gleichberechtigt neben Bildern, die karikaturistische Züge tragen. Aus dem Zusammenspiel beider entsteht eine dritte Kommunikationsebene. Opa erzählt zum Beispiel aus seiner Jugendzeit und von Freund Joseph, der plötzlich verschwunden ist. Der erwachsene Betrachter registriert einen Judenstern am Revers des Freundes. Dieses schöne Zusammenspiel und die Herausforderungen an den Leser und Betrachter zeigen aber auch, daß das Buch für Kinder nicht wirklich geeignet oder gedacht ist. Sicher wäre es richtig gewesen, den Empfängerkreis dieses Buch zu deklarieren, um Fehlkäufe interessierter Eltern zu vermeiden.

Der Rezensent jedenfalls war erfreut, ein Bilderbuch anzuschauen, das mit wenigen Mitteln Vieles mitzuteilen weiß. Und schließlich hat das Buch auch eine klare, wichtige und richtige Essenz. Wenn Opa am Ende seines Lebens und nach strapaziösen Zeiten für seinen Schutzengel sagt: "Mir konnte keiner was!", dann heißt das in der besonders klaren und eindringlichen Bildsprache des Buches: Dem Unschuldigen hilft Gott.

mhh
22.07.2002

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