Kinder- & Jugendbücher

Mann-oh-Maus!

Größtenteils bereits 1989 im Diogenes Verlag, Zürich, erschienen, erwachen die zwölf Gutenachtgeschichten von Bernhard Lassahn in der neuen Auflage von 2001 zu neuem Leben. Erwachen trifft hier gleich im doppelten Sinne zu. Denn diese Gutenachtgeschichten sind in ihrer Art recht untypisch. Sie sind ausgesprochene Muntermacher! Und das gilt nicht nur für die anrührende Hasengeschichte, die ganz explizit als "Gutenmorgengeschichte" bezeichnet wird, weil sie davon handelt, was sich zwei verliebte Hasen, Jan und Mollie, so alles zu erzählen haben, wenn sie frühmorgens zusammen einschlafen.

Bernhard Lassahn, der bei Kindern vor allem als Autor von Käpt’n-Blaubär- und Bananenbieger-Geschichten bekannt ist, stellt in diesem Sammelband einmal mehr seine herausragenden Erzählqualitäten unter Beweis, liefert hiermit, so könnte man sagen, "tierisches Lesefutter" vom Feinsten, – Nachwort inbegriffen, das bezeichnenderweise mit einem lapidaren "Ach so," überschrieben ist. Überhaupt sind es die liebevollen Details, die den Appetit des jungen Lesers anregen. Natürlich gibt es auch so etwas wie ein Inhaltsverzeichnis. Doch dieses ist nicht einfach nur ein Wegweiser durch 159 Seiten illustrierten Text, sondern ein erster "Hingucker", der neugierig macht auf das, was da wohl folgen mag. "Achtung! Achtung! Alle Maus in Deckung! Es geht los" Und in seiner letzten, aber nur ganz kurzen Geschichte "Matz der Spatz" schließlich verabschiedet sich der Erzähler nicht nur auf eine sehr persönliche Art und Weise. Nein, er lässt sich auch noch auf eine kleine Zugabe ein, da er weiß, wie schwer es Kindern fällt, ein Ende zu finden, wenn es gerade am schönsten ist … "Zum allerletzten Schluss" also noch ein "kleines Rätsel": Es geht darum, sich zu erinnern, wo sich im "Großen Buch der kleinen Tiere" große Tiere versteckt haben. Im Notfall darf die Auflösung gelesen werden – in Spiegelschrift selbstverständlich.

Zurück zu den Geschichten selbst. Sie erzählen gewöhnlich vom "modernen" Mit- bzw. Nebeneinander von Mensch und Tier. Das Besondere: Ganz anders als in der Fabel unterliegt hier in besagtem Sammelband die Auswahl der Tiere keinerlei Konventionen. Ausschlaggebend ist vielmehr ihre Kleinwüchsigkeit sowie ihr junges Alter. Und: Die kleinen "Helden", ob sie nun Sau, Hase, Heidschnucke, Waschbär oder noch ganz anders heißen, sie alle erscheinen nicht nur in personifizierter, sondern auch in individualisierter Gestalt. Sie haben Schwächen und Stärken, Vorlieben und Abneigungen, Leidenschaften und Träume, die sich mit ihrem Tiersein verbinden lassen. Nur traurig, dass aus dieser ver-rückten Perspektive von unten die große Welt vielfach ein ganz anderes Gesicht zeigt, in dem wahre menschliche Züge nicht ohne weiteres zu erkennen sind. Typen wie Harald und Eddi die mit Bier, Fritten und Videos den Tag totschlagen, wirken nicht gerade geheuer …

Achtung! Hier schlägt ganz offensichtlich wieder einmal ein "Freund der spitzen Verse" (vgl. "Matz der Spatz") um sich! – Fabelhaft jedoch, wie es dieser Geschichtenmacher auf seine Weise immer wieder schafft, den Ernst des Lebens humorvoll zu wenden. Ob es um Medienkonsum, Jugendkultur, moderne Tierhaltung, Umweltverschmutzung, Langzeitfolgen des Kolonialismus geht, völlig gleich, – es dürfte Bernhard Lassahn leicht fallen, die Aufmerksamkeit des jungen Lesers voll und ganz für sich zu gewinnen. Gehört doch seine Sympathie eindeutig den kleinen Tieren mit ihren kleineren und größeren Schwächen und Nöten, in denen sich Kinder wiederfinden. Denn, wer kann den Zwillingsmäusen Poppel und Peppel nicht nachfühlen, wenn sie eine Mutprobe nach der anderen auf sich nehmen um herauszufinden, wessen Schwanz es länger im Toaster aushält? Oder wenn der Einzeligel Iggy keinen Bock mehr auf Familie hat, seitdem er die wilden Punkkönige im Stadtpark kennen gelernt hat? Oder wenn die Heidschnucken Otto und Max, zwei richtige kleine Zankteufel, sich immer nur in der Wolle liegen, ohne eigentlich zu wissen warum? Das "Große Buch der kleinen Tiere" wimmelt nur so an Situationen wie diesen, sprüht nur so vor Witz und Komik. "Bahn frei, Kartoffelbrei!" Und auch der Dialog, den der Erzähler mit seinem impliziten Gegenüber allenthalben führt, ist ganz aufs Mitmachen angelegt. Hinzu kommt Jacky Gleichs Bildersprache. Sie ist ein Vergnügen für sich. Ihre einfachen, aber kraftvollen Pinselstriche bringen die Aussagen des Textes erst richtig auf den Punkt.

Also. Wie schon gesagt. "Tierisch" gut die zwölf nicht mehr ganz neuen Geschichten zum Vorlesen (ab 6 Jahre) und Selberlesen. Tja … Das wär’s dann. Nein, nicht ganz. Sollte jemals einem Erwachsenen, rein zufällig versteht sich, dieses Buch in die Hände fallen, – er darf es auffangen und auch aufschlagen. Aber Achtung! Es wäre möglich, dass dieser "Sportsgeist" ins Schmunzeln gerät …

gda
10.04.2002

 
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Das Buch:

Bernhard Lassahn: Das große Buch der kleinen Tiere

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Würzburg: Arena Verlag 2001
159 S.
ISBN: 3-4010-5272-1

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