Gedichtbände

Das lyrische Werk eines hoffnungsvollen Autorentalentes

Lyrik kann so viel mehr sein, als Verse miteinander verbunden durch Reime. Gedichte sind ein Spiegel der Seele des Autors, aber ebenso der des Lesers. Sie gehen über den (literarischen) Anspruch, "nur" unterhalten zu wollen, weit hinaus. In ihnen zeigt sich die Welt, das wirkliche Leben in kleinen Auszügen. So jedenfalls ist es bei den Gedichten aus der Feder von Francesco Cienfuegos. "Reger Laut im Zwischenraum" ist ein außerordentlich anregendes lyrisches Werk, angesiedelt irgendwo zwischen Prosa und Poesie. Damit bewegt sich der spanisch-deutsche Autor in anderen Grenzen als die meisten seiner Schriftstellerkollegen. Er definiert für sich die Lyrik neu und macht sie so einer Gattung, die eine Entdeckung mehr als lohnt.

Verse, die über die Seiten zu fließen scheinen, die ihr seltsames Spiel mit der Sprache treiben, die uns an Traumgebilde erinnern und doch überaus real sind - "Reger Laut im Zwischenraum" ist weitaus mehr als ein "gewöhnlicher" Gedichtband, wie man diese in jeder Buchhandlung kaufen kann. Francisco Cienfuegos gelingt bewegende Lyrik mit kraftvollen Metaphern und Wortschöpfungen. Die Emotionen stehen hier im Mittelpunkt. Und eben diese zeigen sich auf die unterschiedlichste Art und Weise. Doch eint die Gedichte allesamt ein Aspekt: Sie thematisieren Begegnung, Entfremdung und die Suche nach sinnstiftender Identität über Kommunikation in der Ambivalenz des Alltags, im diffusen zwischenmenschlichen Beziehungsraum.

Im Untertitel heißt es: "Vertonungsskizzen gegen das Erstarren". Und sind Cienfuegos' Gedichte tatsächlich. Während man diese Vers für Vers liest, entsteht im Kopf eine Melodie, wie sie teils berührender, aber auch aufwühlender kaum sein kann. Nach der Lektüre ist nichts mehr wie noch kurze Zeit zuvor. In den wenigen Lesestunden scheint sich die Welt für einen grundlegend verändert zu haben. Man verlässt seine abwartende Position und ergreift selbst die Initiative. Ein kleiner Schritt nach vorne reicht aus, um die starren Grenzen und ebenso Regeln unseres Seins, des Lebens zu durchbrechen, ganz so wie es das lyrische Ich wagt. So heißt es zum Beispiel in "Szenenwechsel":

"Es ist der Schlaf
Das Auge geschlossen
Das starre
Sanft
Wie der Tod
Eines Blattes

(...)

Es ist Traum in Wehen
Vater und Mutter
Geschmolzen
In Widerspruch

Irren im Labyrinth
Treiben
Ohne Zurück"

Von Francisco Cienfuegos wird man hoffentlich noch viel lesen dürfen. Seine Bücher sind eine Art Offenbarung. "Reger Laut im Zwischenraum" ist keineswegs eine Ansammlung irgendwelcher Gedichte, die thematisch gesehen zueinander passen. Hier erfährt man auf 60 Seiten Lesegenuss pur. Man verliert sich vollkommen in Cienfuegos' Lyrik. Sie umgibt einen wie eine Decke aus Gefühlen. Man fühlt sie geborgen und - zumindest für die Dauer der Lektüre - frei von jeglichen Sorgen des Alltags.

Anja Rosenthal
21.12.2015

 
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Das Buch:

Francisco Cienfuegos: Reger Laut im Zwischenraum. Vertonungsskizzen gegen das Erstarren

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Horn (Österreich): Verlag Ferdinand Berger & Söhne 2015
60 S., € 16,90
ISBN: 978-3-85028-727-2

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