Gedichtbände

Gedichtband zum modernen Zeitgeist

Als "kleinen Teufel" bezeichnet Mathilde Gündisch das Smartphone, welches aus unserer heutigen Gesellschaft gar nicht mehr wegzudenken ist:

"Jedes Individuum, die ganze Gesellschaft will in jedem Augenblick überall präsent sein, das Neueste erfahren, überall mitreden, nie zurückbleiben. Deshalb greifen wir alle 15 Minuten zum kleinen Teufel in der Hosentasche und lesen, schreiben, twittern, chatten, um zur digitalen Elite zu gehören."

Aber gehören wir tatsächlich zur "Elite", wenn wir uns dieser Tyrannei, diesem Zwang ständiger Erreichbarkeit unterwerfen? Zum einen ist es längst nicht mehr "elitär", ein Smartphone zu besitzen; zum anderen führt die "Überdigitalisierung" nicht unbedingt zu mehr Effektivität und Produktivität, sondern - ganz kontraproduktiv! - zu Burn-out, Depression sowie Beziehungsunfähigkeit außerhalb der virtuellen Welt, um nur einige "Folgen" zu nennen. Denn, so die Autorin, die "digitalen Begleiter" haben uns aus der "sicheren Lebensspur" geworfen, aus der "festen Verankerung" gelöst, uns in ein "neues Zeitalter" gestürzt.

"Die täglichen Neuerscheinungen der kreativen digitalen Welt haben einige mit dem Leben bezahlt. Unrast, Unmut, Ungeduld, Neugier fressen die Konzentration bei der Arbeit an Maschinen, im Auto, in der U-Bahn. Sie verleiten viele dazu, unachtsam über die Straße zu gehen, und vieles andere mehr."

Dass wir diese neue Lebensform "mit dem Leben bezahlen", muss in manchen Fällen leider Gottes tatsächlich wortwörtlich genommen werden, aber auch spirituell "bezahlen" wir, indem wir zulassen, dass nicht nur unsere Tage, sondern dass auch unsere Seele "zerstückelt" wird, dass sie mehr und mehr vereinsamt.

"Unsere Nachahmungsgesellschaft stürzt immer weiter in die Einsamkeit, versucht, Ersatz für ihre unerfüllten Wünsche zu finden, träumt davon, in der virtuellen Welt ihre Ziele zu erreichen. Sie eilt und eilt, immer schneller, immer weiter. Einen Stillstand gibt es nicht."

Mathilde Gündisch verzagt jedoch nicht angesichts dieser bedenklichen gesellschaftlichen Entwicklung, sie zeigt sich sowohl realistisch als auch optimistisch, darum auch ihr "Weggesang" oder "Weg-Gesang": ein poetischer Gesang entlang des (Lebens-)Weges der verantwortungsbewussten Verfasserin - weg von der Hektik des Alltags, hin zur Muße der Lyrik. Aber auch in ihren lyrischen Versen stellt sich die rege, gottesfürchtige Dichterin dem gesellschaftlichen Wandel, dabei stets nach vorn und - nicht zu vergessen! - dankbar gen Himmel blickend.

"Nur mit Disziplin findet man noch eine ruhige Ecke, um die eigenen Gedanken zu sammeln. Klicken Sie ab."

Abklicken! Dieses Wort sollte zum "Wort des Jahres" erwählt werden! Und diejenigen, bei denen es dann immer noch nicht "klick" macht, die haben sich wohl ausgeklickt.

Alexandra Eryigit-Klos 
02.06.2020

 
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Das Buch:

Mathilde und Werner Julius Gündisch: Mein Weggesang

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Offenbach am Main: Weimarer Schiller-Presse 2018 78 S., € 9,80 ISBN: 978-3-8372-2158-9

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