Erzählbände & Kurzprosa
Erzählungen und Reportagen
Thomas Mann und Hermann Hesse z?hlten zu seinen Bewunderern, aber erst posthum avancierte der d?nische Romancier, Erz?hler und Journalist Herman Bang (1857-1912) auch in Deutschland zum viel gelesenen Autor. Nach dem Zweiten Weltkrieg geriet er in Vergessenheit, am bekanntesten sind noch Bangs Zwillings-Romane ?Das wei?e Haus? und ?Das graue Haus?.
Mit dem jetzt von Ulrich Sonnenberg herausgegebenen und ?bersetzten Band ?Exzentrische Existenzen? mit zehn Erz?hlungen und einigen bislang nicht auf deutsch vorliegenden Reportagen von Herman Bang kann man einen hellsichtigen und seismografisch genauen Beobachter seiner Zeit entdecken. In diesen Geschichten geht es fast immer um Au?enseiter und skurrile Sonderlinge, um Menschen, die am Rande der Gesellschaft stehen.
Ein tauber Pastor fristet mit seiner Ehefrau einen freudlosen Lebensabend mit der ?bersetzung des Gesangsbuches ins Gr?nl?ndische, oder ein verliebtes junges M?dchen erlebt im Karneval eine bittere Entt?uschung. Bei einer Hochzeit kommen Bigotterie und Klatschsucht der etablierten B?rger wie ein Geschw?r zu Tage: ?Er ist umgeben vom Raunen seiner Vergangenheit?. In der anr?hrenden Erz?hlung ?Irene Holm? reist eine nicht mehr ganz junge Tanzlehrerin von Dorf zu Dorf, eine k?mmerliche, verk?mmerte Existenz, die bei einem Abschlussball noch einmal aufbl?ht. Oder ein steinalter Baron schreibt Memoiren, die nie jemand lesen wird. Eine morbide Fantasie.
Das Verh?ltnis zwischen den Geschlechtern ist bei Bang zutiefst problematisch geworden. In der pr?zise wie ein Uhrwerk konstruierten Erz?hlung ?Die vier Teufel? kommt es nach einem 50-seitigen Beziehungsdrama zum Showdown in der Zirkuskuppel. Eine Femme fatale hat der Hochseilakrobatin Aime? ihrer Liebhaber Fritz genommen, dabei wusste der Mann genau um die unheilvolle Natur des Weibes: ?Er sp?rte die uralte Furcht aller Artisten, die Frauen als ihr Verderben ansahen. Er betrachtete sie als mystische Feinde, die auf der Lauer lagen, geboren, um ihm nach seiner Kraft zu trachten?.
Mit solchen S?tzen erweist sich Herman Bang als kongenialer Autor des Fin de Si?cle. Der bekennende Homosexuelle und Bohemien verstand sich immer als Au?enseiter. Gleich sein erster Roman ?Hoffnungslose Geschlechter? (1880) wurde in D?nemark wegen einiger Liebesszenen verboten, sp?ter f?hrte Bang ein unstetes Leben, er versuchte sich als Schauspieler und Theaterregisseur und war in jungen Jahren ein erfolgreicher Journalist. Seine Reportagen erz?hlen vom Elend des Proletariats in Kopenhagen oder der Hoffnungslosigkeit von Auswanderern auf einem Dampfer nach Amerika. Hier zeigt sich ein mitf?hlender, engagierter Autor, f?r den Leid und Entfremdung keineswegs exotische Erfahrungen waren.
Johannes von der Gathen
08.08.2007