Erzählbände & Kurzprosa

Deutscher sein – ein schweres Schicksal

Artur Grüner erzählt in diesem Buch aus dem Leben von Albert Gruber, der in der achten Generation als Deutscher in der Bundesrepublik lebt, dessen Vorfahren und Verwandten aber zum großen Teil ihr Leben in Russland verbrachten. Albert, der Medizin studierte und vierzig Jahre lang als Arzt arbeitete, ließ das Schicksal seiner Vorfahren nicht ruhen und so erforschte er deren Stammbaum.
Erfahren hat er viele unglaubliche Geschichten, von denen er fünf in diesem Buch zusammengefasst hat. Sie zeugen von Demütigungen und Verfolgung, Inhaftierung und Zwangsevakuierung, bis hin zur Ermordung der männlichen deutschen Bewohner in der Stalinzeit.

Grüner vergleicht einleitend das Leben der Russlanddeutschen mit einer Irrfahrt nach Homer, es ist aber zugleich mehr als eine abenteuerliche Irrfahrt, es ist ein Kampf um Leben und Tod, wie sich bereits in der ersten Geschichte erweist, in der nach der Einnahme des sowjetischen Dorfes durch die Deutschen in der Zeit des Zweiten Weltkrieges acht männliche deutsche Einwohner hingerichtet werden und es nur Josef gelingt, dem Tod zu entrinnen.

Deutlich wird auch in der Titelgeschichte "Ein Hitler im GULAG", wie nach der Oktoberrevolution, Jahre der Repressalien und Deportationen folgten und viele Deutsche den Kontakt zueinander verloren. Von seinem Cousin August er-fährt er, wie es ihm damals im GULAG ergangen ist, in dem er noch neun Jahre nach Ende des Zweiten Weltkrieges inhaftiert war.
Alleine die Tatsache, Deutscher zu sein, genügte oft für Diffamierungen, auch üble Nachrede der einheimischen Bevölkerung jenseits des Urals, wohin viele Deutsche evakuiert wurden, war durchaus an der Tagesordnung, wie die Geschichte der Oma Berta beweist.

Ein für viele Leser neues Kapitel schlägt der Autor auf, wenn er von der Macht des fünften Paragraphen berichtet, der Bestandteil eines neuen Passgesetzes der Kommunisten wurde und mit dem jeder Bürger deutscher Herkunft sich als solcher ausweisen musste.

Wenn russlanddeutsche Männer in die Verbannung nach Sibirien kamen, wurden sie für viele Jahre von ihren Familien getrennt. Es lagen oft bis zu 3000 Kilometer Entfernung zwischen ihnen und so kam es, dass sich auch die beiden Leos, von denen in der vierten Geschichte erzählt wird, jahrzehnte-lang nicht sahen. Auch Johann, der zwanzig Jahre in einem Arbeitslager im Sibirien schuften musste, kam erst 1954 nach Stalins Tod zurück zur Familie nach Kasachstan.

Die Erzählungen von Artur Grüner werden eingeleitet und abgeschlossen mit dem Gespräch des um Fahrkarten nach Russland nachsuchenden Albert mit einem Bahnbeamten. So wird klar, dass es Albert nach Russland zieht, um noch einmal die Heimat seiner Vorfahren zu besuchen.

Dieses Buch ist ein Erzählband der Zeitgeschichte, der sicher viele Parallelen im Leben der ausgewanderten Russlanddeutschen hat, die um ihre Identität wissen und doch nie losge-löst von ihrer ursprünglichen Heimat leben können.

Dr. Helga Miesch
23.03.2015

 
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Das Buch:

Artur Grüner: Ein Hitler im GULAG und andere russische Geschichten

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Frankfurt: Frankfurter Literaturverlag 2015-03-19
106 S., € 12,40
ISBN: 9783837216059

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