Erzählbände & Kurzprosa

Unkonventionelle Meister(werke)

Rilke, Baudelaire, Hölderlin, Nietzsche, ... Wer kennt sie nicht, die Meister der Literatur des ausgehenden 19. Jahrhunderts?! Diese und viele mehr gesellen sich in "Gedichte in Prosa" - einem Werk. in dem - wie der Titel sagt - sich Alexander Stillmark dem Prosagedicht widmet. Diese so seltene wie brillante hybride Literaturgattung ist der rote Faden, der sich durch das Buch zieht: Nicht die bekanntesten oder populärsten Geschichten der alten Meister sind es, die Stillmark zusammengetragen hat, sondern die innovativsten und unkonventionellsten.

Alexander Stillmark hat sich schon oft mit fachlich versierten Betrachtungen der Literaturgeschichte als auch mit eigenen Übersetzungen und Zusammenstellungen hervorgetan, doch mit Gedichte in Prosa versammelt er erstmals eine ganze Reihe von namhaften Autoren der Zeit zu einer Zusammenstellung einer bisher viel zu wenig beachteten literarischen Spielart. Dabei lässt er die Texte nicht allein "im Regen stehen", sondern bringt sie in einen fachlichen und literaturgeschichtlichen Kontext.

Mit einer wunderbaren Einleitung führt er den Leser zunächst an die damals wie heute unkonventionelle Form des Erzählens: Hatte man bis dahin nur ganz im Sinne der Dichter des Barocks auf strenges Versmaß und Reimschema geachtet, begann man im Westeuropa des frühen 19. Jahrhunderts zum ersten Mal, bewusst die althergebrachten Konventionen zu sprengen. Entgegen der bisherigen Lehre wurde auf das klassische lyrische Schema der Gedichte verzichtet; dabei wurde sich alternativ aber auch nicht der ausschweifenden und langatmigen prosaischen Erzählweise der Romane jener Zeit bedient, sodass eine Gattung entstand, die als Mischform beider Varianten gesehen werden kann - eben die des Prosagedichts.

Dieses muss nicht immer aus einem kompletten Werk bestehen - oft sind es auch Teile eines größeren Ganzen, die durch ihre präzise und auf den Punkt gebrachte Sprache die Leichtfüßigkeit eines Gedichtes mit der Tiefe einer prosaischer Erzählung verbinden. Die Sammlung von Stillmark trägt dem Rechnung, indem sie mithin Auszüge aus Werken aufgreift, die dem Anspruch der Zusammenstellung gerecht werden, ohne dabei aus dem Zusammenhang gerissen zu wirken.

So entsteht mit "Gedichte in Prosa" auch ein Spiegel der Zeit: Das späte 19. Jahrhundert war in jeder Hinsicht ein Bruch mit der Geschichte und ein Beginn von etwas ganz Neuem. In der technischen Entwicklung und den gesellschaftlichen Veränderungen neue Wege beschreitend, schlug sich eine bedeutende Erkenntnis auch in der Kunst und der Literatur wieder: dass man durchaus neue Wege beschreiten kann und sich keinesfalls an Konventionen halten muss. Ein Thema, welches zeitlos und daher heute wie damals von essentieller Bedeutung ist.

Wer sich also für Literatur interessiert oder einfach Spaß an brillanten und dennoch kurzweiligen und unterhaltsamen Texten hat, wird auf jeden Fall großen Gefallen an Alexander Stillmarks Betrachtung und Zusammenstellung der Prosagedichte finden!

Gerrit Koehler
28.10.2013


Die Lesung im Deutschen Literaturfernsehen finden Sie hier.

 
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Das Buch:

Alexander Stillmark: Gedichte in Prosa - von der Romantik bis zur Moderne

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Frankfurt am Main: August von Goethe Literaturverlag 2013
180 S. € 14,80
ISBN: 978-3-8372-1260-0

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