Erzählbände & Kurzprosa
Bilderbuch für Erwachsene
Dmitri Dmitritsch Gurow, ein Bankangestellter Ende Dreißig, der eigentlich Philologe ist, hat es für einen Kuraufenthalt für zwei Wochen nach Jalta auf der Insel Krim verschlagen. Auf der Promenade fällt ihm eine junge Frau mit einem weißen Spitz auf. Der Ehe mit seiner Frau und dem Familienleben mit seinen drei Kindern in Moskau überdrüssig und amourösen Abenteuern gegenüber nicht abgeneigt, spricht er die junge Dame, die Anna Sergejewna heißt und ebenfalls verheiratet ist, an und flirtet mit ihr. Anna, die mit ihrem Mann, der in der Verwaltung tätig ist, in der Provinz lebt, plant einen längeren Aufenthalt in Jalta, und bald soll auch ihr Mann zu ihr stoßen.
Nach einigen Spaziergängen und einem vorsichtigen Kennenlernen küsst Gurow die junge Anna und verführt sie. Der Ehebruch bedeutet für die unerfahrene Frau, dass sie nicht nur ihrem Gatten untreu geworden ist, sondern vor allem sich selbst. Sie fürchtet, Gurow könne sie nun nicht mehr achten. Als sie von ihrem gesundheitlich angeschlagenen Mann einen Brief erhält, reist sie deshalb sofort ab, um sich um ihn zu kümmern.
Gewöhnlich enden Novellen an dieser Stelle, doch Tschechow lässt seine Verliebten nicht so schnell aufgeben. Als Gurow zu seiner Familie nach Moskau zurückkehrt, merkt er, wie leer sein Leben ohne Anna ist. Er macht sich auf den Weg zu ihr, um seinem Herzen zu folgen, denn: "Jetzt wo sein Kopf grau wurde, liebte er [...] zum ersten Mal in seinem Leben."
"Die Dame mit dem Hündchen" schrieb Anton Tschechow 1899, wenige Jahre vor seinem Tod, in Jalta, das ebenfalls der Schauplatz der Erzählung ist. Die Liebesgeschichte zweier Verheirateter, deren Ehebruch in einem Drama mit offenem Schluss endet, ist Tschechows international bekannteste Erzählung. Er prangert darin die gesellschaftlichen Konventionen als verlogene Fassaden an, die den Menschen unglücklich machen.
Die vorliegende Neuübersetzung von Barbara Conrad, die 2011 den Preis der Leipziger Buchmesse für ihre Neuübersetzung von Tolstois "Krieg und Frieden" erhielt, ist in der allen Buchliebhabern bekannten Insel-Bücherei erschienen. Seit über 100 Jahren gibt der Insel-Verlag in dieser Reihe klassische Literatur, Literatur aus der ganzen Welt und moderne Texte in besonders bibliophiler Aufmachung heraus. "Die Dame mit Hündchen" ist einer der neuesten Bände in der Riege der über 1600 Bände, die in 100 Jahren in der Insel-Bücherei erschienen sind.
Dieser neue Band enthält nicht nur die Erzählung selbst, sondern auch einen Anhang mit Wort- und Sacherklärungen sowie einen Essay von Bernhard Schlink. Besonders erwähnenswert sind die Illustrationen von Hans Traxler, die Tschechows Erzählung auf einen anderen Level heben und diese Ausgabe zu einem Bilderbuch für Erwachsene machen, das mit Sicherheit einen besonderen Platz im Bücherregal von Lesern, die ein Buch auch wegen der liebevollen Aufmachung und der bibliophilen Ausstattung zu schätzen wissen, erhält.
Sabine Mahnel
21.10.2013