Erzählbände & Kurzprosa

Irritation in Raum und Zeit

Ein Strahl kehrt in der Ewigkeit an seinen Ausgangspunkt zur?ck. Zwei parallele Linien finden in der Ewigkeit zusammen. Was einem schon im Unterricht r?tselhaft erschien, tut es auch im Buch ?Die Abweichung? von G?nter Baum und Katharina Storck-Duvenbeck. Der Untertitel platziert das Ganze im eigenen Welt- und Lebensverst?ndnis: ?Eine Parabel im inneren Monolog?. 

Die 88 Seiten ergeben ein h?chst ungew?hnliches Buch, weil es in Raum und Zeit irritiert. Wer sich darauf einl?sst, verliert gar rasch den Boden unter den F??en - was will ein Buch mehr?! Damit es einigerma?en erahnbar bleibt, was einem das Autorenduo vorsetzt, beginnt das Buch mit dem Tunnelmotiv, das schon in vielen Werken seinen Niederschlag gefunden hat. Es geht um ein Finden und Wiederfinden, um ein Verlorengehen und Zur?ckkehren. Ein neuer Tag - wird er einfach fortsetzen, wird er ins Neue aufbrechen oder wird er ins Einst zur?ckgehen? 

Zwei Erz?hlstr?nge bilden jeweils ab, was Felix und Gerda erleben. Oder pr?ziser: Was sie empfinden, erkennen. ?Er ist ja v?llig durch den Wind?, schreibt Gerda an einer Stelle. Gerda komme ihm wie ein Lotse in ein anderes Leben vor, schreibt Felix. Verunsicherung und Vergewissern spielen in diesem Buch eine wichtige Rolle, scheint es, und das macht aus ?Die Abweichung? ein philosophisches Werk. 

Wer die Passagen ?ber das Sich-Erinnern liest, findet ?ber das Philosophische hinaus auch Psychologisches, wenn nicht Neurologisches. Neuere Entdeckungen besagen, dass das zentrale Nervensystem Sachverhalte und Emotionales nicht gleich ins Ged?chtnis f?gt, beziehungsweise, dass emotional empfundene Dinge st?rker haften bleiben als blo? gesehene oder gelernte. ?Warum kennt er instinktiv Maschinen, aber Menschen erkennt er nicht?, r?tselt Gerda ?ber ihren Gegenpart. ?Wer bin ich wirklich??, fragt sich dieser. Absenzen werden zu Chancen, sich neu zu finden. Sogar der ?Knacks? kommt vor, wie im Titel eines Buches von Roger Willemsen. 

?Ich will die Funktion eines Tunnels ergr?nden?, nimmt sich Felix vor. Was das dem Leser bedeutet, mag dieser selber bestimmen. Die Grenzbeh?rde hat Felix? Antrag auf ?berschreitung der Grenze im Tunnelbereich abgeschmettert. Was hei?t das? Das Buch verlangt vom Leser ein Mit- und Hinausdenken, aber daf?r wird dieser mit Anregung und gutem Spannungsaufbau belohnt. Gerdas kleiner Engel liegt in Bruchst?cken vor uns, so wird es auf dem Cover gezeigt. Was besagt das am Ende der seltsamen Reise? Was geht in die Br?che, wenn es - wie der Titel verhei?t - zur ?Abweichung? kommt? 

Vor uns liegen Zeitreisen, aber nicht einfach als Show pr?sentiert, wie im Film ?Back to he Future?, sondern eben als philosophische Reflektion. Man f?hrt in eine andere Gegenwart hinein, die Z?ge einer alten tr?gt. Es erstaunt in der heutigen Zeit nicht, dass dabei auch das ?berleben eine Rolle spielt, das Erfahren der ?kokatastrophe. Alle fahren den Elektroroller, nur Gerda nicht. 

Dass ein sph?risches Buch wie dieses noch ?Zeit? findet, die S?tze sinnlich zu formen, ?berrascht und erleichtert sp?rbar das Lesen. Ein interessantes Werk, das interessante Leser braucht.  

Ronald Roggen 
05.12.2011

 
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Das Buch:

Günter Baum, Katharina Storck-Duvenbeck: Die Abweichung. Eine Parabel im inneren Monolog

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Nürnberg: Edition Knurrhahn im Thomas Rüger Verlag 2011
88 S., € 8,90
ISBN: 978-3-932717-39-0

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