Erzählbände & Kurzprosa

Verführers Verführungen

Auch gestern ist schon lange Vergangenheit. Gestern, als unbek?mmert gesagt werden konnte: Thomas B?hme ? der Lyriker aus Leipzig! Ohne den Lyriker nun mit einem Federstrich liquidieren zu wollen, der Erz?hler steht vor dem Lyriker. Er ist ein eleganter Erz?hler, der, gleich einem geschickten Tanzlehrer, gut zu f?hren und so zu verf?hren wei?. Nicht als Lyriker, als Erz?hler ist der Schriftsteller in den vergangenen anderthalb Jahrzehnten zu einem literarischen Verf?hrer geworden. Binnen eines guten Jahres hat B?hme zwei Prosa-B?cher auf die B?chertische gebracht. Sie haben den Reiz des Poetischen, denen die Phantasie des Prosaisten ist ein weites Feld.

Ist es f?r Leser von erheblicher Bedeutung, stets erkl?rt zu bekommen, Texte welcher Art ihnen vorgesetzt werden? Zu registrieren, da? mit dem Band "Balthus und die F?chse" "Drei obskure Novellen" angeboten werden, da? der Band "Schwarze Archen" "Geschichten, Fabeln, Grotesken" liefert, mu? nicht unbedingt die Lust des Lesens steigern. Wozu Obskures, Groteskes, wo ohnehin zu vieles obskur, grotesk ist? Schade w?r?s. Interessierte stolpern bereits ?ber die Vokabeln. B?hmes Literatur ist nicht obskur, nicht grotesk ? im allgemeinverst?ndlichen Sinne. Seine Geschichten sind phantastisch-phantasievolle Geschichten. Mit jedem Wort widersteht der Schreiber dem Sterben der Phantasie. Jeder Text therapiert die Phantasie. Das ist allzeit zeitgem??, so unzeitgem?? das auch scheint.

Die Geschichten in "Balthus und die F?chse" k?nnen als moderne Kunstm?rchen gelesen werden. Gewidmet allen Kindern der Welt, allen Erwachsenen der Welt, die ihre Kinder nie entwachsen und zugeben k?nnen, wie viel Kindheit in ihrem Erwachsensein steckt.

B?hme sch?tzt selbst verleugnete Kindheit vor der Verleugnung. Nicht, indem er die R?ckkehr der kindlichen Realit?t verspricht. Nicht, indem er sich den Wiedereintritt in die Kinderwelt erstreitet. In seinen Geschichten rettet er Schriftsteller die Phantasie der Kinderzeit vor der sch?bigen, phantasielosen Wirklichkeit. Was wiederum nicht bedeutet, da? B?hmes Berichte aus imagin?ren K?nigreichen mit allm?chtigen K?nigen fern der sichtbaren, greifbaren Wirklichkeit existieren. Die Wunsch-Welten, die der Schriftsteller entstehen l??t, markieren die Landschaften auf dem literarischen Globus des Autors. Nimmt er die Leser mit in seine glaubhaft, unglaubw?rdigen Traum-Phantasie-Landschaften, sind das keine Ausreisen aus der erfahrenen, unerfreulichen Realit?t. Sie wird, neu geformt, genauer, kritischer gesehen, in den Geschichten geschildert. Literarische Realit?t triumphiert nicht trotzig ?ber konkreter Realit?t. Literarische Realit?t erh?ht den Wahrheitsgehalt konkreter Realit?t.

Das Tr?umerische, Traumhafte ist das Tats?chlichere. Das Sinnliche ist das Sinngebende. Die Sorgfalt in der nuancierten wie nuancierenden Schilderung der Gef?hle bestimmt ma?geblich die St?rke der Gesichter, die Thomas B?hme in den vergangenen J?hren schrieb. Sich in seiner Phantasie, seinen phantastischen Darstellungen nicht einzuschr?nken, dennoch Klarheit und Konkretheit zu garantieren, das ist die literarische Qualit?t der nun ver?ffentlichten Prosa. Der Erz?hler kann, was er l?chelnd, selbstironisch gesteht, leichter auf "verstiegene Vergleiche" verzichten. Gelingt der Verzicht, ist das der Gewinn des einen wie anderen Buches.

So bedeutungsvoll das Symbolische in den Geschichten der B?cher auch bleibt, die Symbolik ist deutlicher, denn die Sprache des Schriftstellers ist eindeutiger. Die Sprache ist, im besten Sinne, einfacher, schlichter. Originelle umgangssprachliche Dialoge werden nicht gescheut. Auch so kommt Leichtigkeit in die Erz?hlungen, die h?ufig eine Heiterkeit haben, wie so noch in Geschichten des Autors war. Sagt er, nicht ohne Bezug, augenzwinkernd "Machts gut, Kinder" m??te man sich von den Texten mit dem Gru? verabschieden: Aufwiedersehen, Kindheit!" Das hei?t, so manche Geschichte gelegentlich noch einmal zu lesen. Zum Beispiel "Der Tanz und der Junge". Eine der sch?nsten Geschichten vom F?hren und Verf?hren ? auch zur Kunst -, die der deutschsprachigen Literatur zugute kommt. Apropos Junge! "Schwarze Archen" hat der Schriftsteller mit seinem Fotozyklus "Jungen unterwegs" "illustriert". Die Serie best?tigt: Sehen, wie der Schriftsteller, hei?t, mehr zu sehen, als gew?hnlich gesehen wird.

Bernd Heimberger
26.09.2005

 
Diese Rezension bookmarken:

Das Buch:

Thomas Böhme: Schwarze Archen / Balthus und die Füchse

CMS_IMGTITLE[1]

Schwarze Archen
Leipzig: Edition Erata 2003
170 S.
ISBN: 3-9340-1549-2

Balthus und die Füchse
Eremiten-Presse 2004
88 S.
ISBN: 3-87365-3346

Diesen Titel

Logo von Amazon.de: Diesen Titel können Sie über diesen Link bei Amazon bestellen.