Erzählbände & Kurzprosa

Poesie und Philosophie zugleich

Bevor dieser eigensinnige Titel erkl?rt wird, zun?chst das Bedeutende: Dieses kleine Buch versteht sich dazu, die ?berraschende F?lle von Poesie in der Philosophie aufzuzeigen, nein anzudeuten, nur die Ans?tze hundertfach aufzudecken, aber schon das ist F?lle. Und wie es geschieht, ist Poesie. Davon ist dieses Buch voll, ?berquellend voll.

Der Titel: ein Hinweis darauf, da? Philosophie poesievertr?glich ist, da? sie selber Poesie enthalten kann, ja reich an Poesie sein kann. Eine Chance f?r poetische M?glichkeiten. Und mit den Infinitiven hat es folgendes auf sich: Martin Heidegger, einer der ber?hmtesten und problematischen Philosophen des vorigen Jahrhunderts, liebte es, seine Studenten gewisserma?en v?terlich an die Hand zu nehmen und sie die ersten Schritte auf philosophischen Wegen probieren zu lassen, indem er das Seminar mit einem unfertigen Satz begann, einem Infinitiv, erweitert zu einem kleinen Bild wie: "Ein Blatt am Zweig schaukeln sehen..." Wenn er mit ihnen ins Gr?ne ging, auf den Berg wanderte, war es noch anschaulicher. Dieser Ansatz gen?gte schon, und es ergaben sich Fragen daraus, Antworten, weitere Bilder, und dann war ein intensives Gespr?ch im Gang, das sich bereits in der Philosophie bewegte und selber Philosophie werden konnte ? im gelungenen Bestfall. Solche einfachen, bildhaften Infinitive f?hrt auch der Verfasser hier vor, und was sich daraus ergibt, ist erstaunlich: die kurzen Zeilen sind kleine Verse, die kleinen Abs?tze muten an wie Strophen, und wer das, was herauskommt, als kleine Gedichte erlebt, hat nicht ganz unrecht, sondern hat Sinn f?r Poesie.

Aber die Texte erkennen nicht nur die Poesie als innerhalb der Philosophie schon angelegt, noch verdeckt, sondern sie wissen auch von der philosophischen Fragestellung, die in allem liegt, was uns umgibt und ber?hrt. Und da ist nicht nur das poetische Gem?t, vielmehr bringt sich auch der Realist, der logische Denker ins Wort. Als solcher weist J?rgen Timm sich aus. Er bel??t das Poetische nicht bei sich, sondern f?hrt mit einem schlichten poetischen Infinitiv, diesem Satzfragment, auf den Weg ins Philosophieren. Die Schritte k?nnen da schon am Anfang stehenbleiben und k?nnen sich damit begn?gen, den philosophischen Ansatz klarzulegen, k?nnen sich aber auch einige Schritte weiter bewegen. Dem Leser ist es unbenommen, mit eigenen Schritten diesen Weg selbst?ndig fortzusetzen.

Mir scheint, hier stellt sich eine literarische Doppelbegabung vor, zust?ndig f?r das Poetische und das Philosophische, und zwar literarisch formend. Auf J. T. geht ?brigens auch die Formulierung einer weiteren Doppelbegabung zur?ck: Echte Heiterkeit, diese nat?rliche flugbereite Leichtigkeit, verf?ge ?ber einen tiefen Ernst und sei nur deshalb glaubw?rdig; umgekehrt gelinge echte Ernsthaftigkeit nur dem, der mit einer wohltuenden Heiterkeit begabt sei. Bei ihm scheint auch diese Doppelbegabung gegeben. Seine Texte sprechen jedenfalls daf?r. Ihre Leser werden es schnell bemerken.

J. T?mmering
13.08.2004

 
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Das Buch:

Jürgen Timm: Poetische Möglichkeiten. Philosophische Infinitive

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Frankfurt a.M., München, London, New York: Weimarer Schillerpresse 2004
107 S.
ISBN: 3-8267-5547-2

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