Erzählbände & Kurzprosa

Aufrecht gehen lernen

Anfang 2003 machte sich Konstantin Wecker gemeinsam mit Friedensaktivisten auf den Weg in den Irak. Begleitet haben ihn die Schwanenges?nge der Kritiker, die in dieser Reise einen PR-Gag sahen. Nun hat dort ein Krieg stattgefunden, der Tag f?r Tag seine blutige Fortsetzung findet. Die Aufzeichnungen von Konstantin Wecker ?ber Bagdad sind mittlerweile Zeitzeugnisse, die Menschen, die er traf, leben vielleicht nicht mehr oder sie haben in ihre Tr?ume die Leiden des neuen Alltags mitgenommen.

Es ist nicht nur die Reise im Jahr 2003, die das Buch wiederspiegelt. Die Ereignisse vom 11. September 2001 werden ebenso reflektiert wie Weckers langer Weg nach Bagdad, seine Gedanken, seine Notizen, Tagebucheintr?ge, kleine Splitter, notiert gegen das Vergessen. Reden, Liedtexte, Interviews und Aufrufe versammelt das Buch zwischen seinen Deckeln und es ist ein Buch, das traurig macht, nachdenklich, wenn man in die Gesichter der abgebildeten Menschen schaut und dort die Geschichten lesen kann, aber es erweckt auch heiligen Zorn, der nicht zerst?rerisch ist, sondern enorme Kr?fte freisetzen kann, wenn man ihn in die richtigen Bahnen lenkt.

Wecker war nie der Typ, der den Mund gehalten h?tte, wenn es um Unrecht geht. Er hat sich nie gescheut, Wahrheiten irgendwann doch auszusprechen, sie zu sehen und dann mit aller Kraft dagegen anzugehen, dass man vor diese Wahrheiten ein Schamt?chlein h?ngt. So wird Wecker mit diesem Buch zum Anwalt der Menschen, die er kennen gelernt hat, er nutzt seine Stimme als Sprachrohr und sorgt mit altbekannter und zum Gl?ck nach wie vor starker Kraft wie Zeus mit dem Donner daf?r, dass man aufmerksam wird.

Menschen in unserem Land haben es gut, sie sind vom Krieg verschont, es gibt f?r alle genug Nahrungsmittel und Dinge, die man zum Leben so brauchen kann. Aber das macht tr?ge, egoistisch, kapselt ab und so bleiben die Tr?nen ungesehen, das leise Rufen ungeh?rt, eine Mauer des Schweigens l?sst alles an sich abprallen.

Faszinierend am Buch ist die Vielfalt der Erlebnisse. Sprache ist f?r Wecker wesentliches Ausdrucksmittel und in seinen Tagebucheintr?gen geht er bis auf philosophischen Grund, durchdenkt, analysiert, l?sst auch mal die Emotionen hochschie?en, z?gelt sie aber wieder auf ein vern?nftiges Ma?, das ein angemessenes Handeln erm?glicht. Wecker ist konsequent und radikal menschlich, gegen jedes Dogma, lebendig im besten Sinne. Und er ist ein sehr kritischer Beobachter. Wer keine Lust hat, nur stillschweigend dazusitzen und zu klagen "Ach, was k?nnte ich nur tun", sollte sich in die Lekt?re vertiefen, aber nicht vergessen, hinterher die ?rmel aufzukrempeln. Hilfe f?ngt ganz winzig an. Jeder kann etwas tun, vom Kleinsten bis zum ?ltesten hat jeder die M?glichkeit, in dieser Welt etwas zu bewegen. Damit die Welt f?r alle ein kleines bisschen besser wird und Tr?nen nur noch aus Freude geweint werden.

csc
15.03.2004

 
Diese Rezension bookmarken:

Das Buch:

Konstantin Wecker: Tobe, zürne, misch dich ein! Widerreden und Fürsprachen

CMS_IMGTITLE[1]

Eulenspiegel Verlag 2004
224 S., € 12,90
ISBN: 3-359-01478-2

Diesen Titel

Logo von Amazon.de: Diesen Titel können Sie über diesen Link bei Amazon bestellen.