Erzählbände & Kurzprosa

Die Sehnsucht nach den schlechten Eigenschaften

F?r Adam Soboczynski ist die heutige Wirklichkeit in Deutschland zu beleuchtet, zu glatt, zu rasiert. "Gl?nzende Zeiten" eben. Der Feuilletonredakteur der ZEIT l?sst sich in seinem neuen Buch aus ?ber wichtige Themen wie Liebe und Leibes?bungen, Rauchen und Flanieren, Freiheit und Feiern. F?r ihn steht fest, dass hier in vielen Bereichen etwas faul ist. Der Ich-Erz?hler, um den lose die Handlung kreist, erlebt hautnah zusammen mit seinen Freunden die Missst?nde in unserer Gesellschaft. Die daraus hervorgehenden Beobachtungen, Gedanken und Thesen werden in 29 Kapiteln philosophisch-essayistisch abgehandelt.

Der namenlos bleibende Erz?hler, ein Intellektueller und Schriftsteller sch?tzungsweise Mitte drei?ig, ist genervt von der Entwicklung zu gleichf?rmiger Freundlichkeit, Joggern in der ?ffentlichkeit und weniger Lokalen, in denen man rauchen und trinken darf. "Der neue Mensch ist bejahend, konstruktiv, einsichtig. Er ist schlank, glatt, erleuchtet. Er versteht die um sich greifende Erziehung im Namen von Dienstleistungskultur und Volksgesundheit als w?nschenswert." Er ist ein Asket, der durch die Bek?mpfung von Individualit?t und Disziplin den Zufall aus dem Leben zu verbannen sucht. Den Genussmensch dagegen gibt es immer seltener. Der Erz?hler bem?ngelt, dass dadurch unserem Leben die Sinnlichkeit, der Mut, die Erotik, der Zorn, die schlechten Eigenschaften verloren gegangen sind.

Mal steht die Wohnungssuche eines befreundeten Paares im Mittelpunkt, mal die besondere Beziehung eines anderen Paares zu Frankreich. "Fast ein Roman" hei?t es auf dem Cover und so ganz ist es auch keiner. Zu lose h?ngen die Schilderungen aus dem allt?glichen Leben des Intellektuellen und seiner Freunde zusammen. Zudem schreibt Soboczynski mit gro?er Distanz. Der Schwerpunkt liegt bei den Thesen, die ironisch, wortgewandt und nicht ohne Witz dargestellt werden. Wenn er sich in Ausf?hrungen verrennt, die mit dem jetzigen Gegenstand nichts zu tun haben, beendet er den Gedanken mit einem lapidaren - egal. F?r Soboczynski d?rfte zudem die Vorstellung ein Spa? gewesen sein, dass sich so mancher Leser ?ber den viel zitierten, beinahe in Vergessenheit geratenen bayrischen Autor Hannes Maria Wetzler informiert, der allerdings nur in Soboczynskis Welt existiert.

Jennifer Mettenborg
08.11.2010

 
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Das Buch:

Adam Soboczynski: Glänzende Zeiten. Fast ein Roman

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Berlin: Aufbau Verlag 2010
224 S., € 16,95
ISBN: 978-3-351-03320-0

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