Erzählbände & Kurzprosa

Von Schein und Sein und Gut und Böse im mysteriösen Falesá

Der bekannte schottische Autor Robert Louis Stevenson (1850-1894) wird zahlreichen Lesern haupts?chlich wegen seiner Romane "Die Schatzinsel" und "Der seltsame Fall des Dr. Jekyll und Mr. Hyde" ein Begriff sein. Wer sich jedoch eingehender mit Stevenson besch?ftigt, dem wird schnell gewahr werden, dass seine literarische Hinterlassenschaft um einiges umfangreicher und vielf?ltiger ist. Die Novelle "Der Strand von Fales?" aus dem Jahr 1892 ist fraglos zu seinen umstrittensten Werken zu z?hlen, wof?r ihre heikle Thematik und ihr markanter Stil verantwortlich sind.

Zahlreiche Romane Stevensons wie etwa "Die Schatzinsel" oder das weniger bekannte aber nicht minder gro?artige "Entf?hrt. Die Abenteuer des David Balfour" werden gemeinhin als Kinder- und Jugendliteratur klassifiziert. Dies scheint bei "Der Strand von Fales?" jedoch nur schwer m?glich, denn hier offenbart sich dem Leser eine ungesch?nte Bestandsaufnahme der Missst?nde, welche die britische Kolonialisierung der S?dsee mit sich brachte. Aus ebendiesem Grund existieren auch zahlreiche gek?rzte oder zensierte Versionen der Erz?hlung, in welchen bestimmte heikle Details oder vulg?re Textpassagen ausgespart wurden. Nun, nach immerhin 118 Jahren, liegt die erste ungek?rzte deutsche Fassung von "Der Strand von Fales?" vor. 

Intrigen und falsches Spiel in der britisch kolonialisierten S?dsee 

Der Protagonist der Erz?hlung ist der britische H?ndler John Wiltshire, der nach seiner Ankunft auf der fiktionalen S?dseeinsel Fales? den zwielichtigen Case trifft, der dasselbe Gesch?ft aus?bt wie er. Eingangs ist John noch der Meinung, Case sei ihm wohlgesinnt und ist von seiner Pers?nlichkeit und seinen Talenten beeindruckt - bis sich auf einmal eigenartige Geschehnisse h?ufen. Die h?bsche Eingeborenenfrau Uma, die Case ihm durch eine Scheinhochzeit verschafft, erweist sich als mit einem Fluch belegt, wodurch s?mtliche Eingeborenen Wiltshires Laden zu meiden beginnen. Als n?chstes vernimmt Wiltshire Ger?chte, dass das Ableben der ehemaligen Konkurrenten des scheinbar ehrenwerten H?ndlers nicht mit rechten Dingen zugegangen sein soll.

Wiltshire erkennt schlie?lich, dass der durchtriebene Case ihm ?bel mitgespielt hat, und l?sst ihn seine Missgunst mit seinen F?usten sp?ren. Zwischenzeitlich ist ihm jedoch bewusst geworden, dass er Uma tats?chlich liebt. Trotz seiner tiefen
Abneigung gegen?ber Missionaren entschlie?t er sich, die Hilfe eines solchen in Anspruch zu nehmen, um seine Scheinehe in eine rechtm??ige umwandeln zu lassen. Hierbei erf?hrt er, dass der Respekt der Eingeborenen gegen?ber Case daher r?hrt, dass er angeblich mit dem Teufel im Bunde sei. Zudem besitze Case im Urwald einen d?monischen Tempel, in dem seltsame Dinge vorgehen. Wiltshire begibt sich schlie?lich auf eigene Faust in den Dschungel, um den Ger?chten auf den Grund zu gehen - und macht eine schier unglaubliche Entdeckung. 

Der schmale Grat zwischen Gut und B?se

"Der Strand von Fales?" erweist sich eindeutig als ebenso aufr?ttelnd-kompromisslose wie von der ersten bis zur letzten Seite spannende Abhandlung ?ber die Unmenschlichkeit der britischen Kolonialpraktiken. Neben der erz?hlerischen Finesse, dem ausgefeilten Spannungsbogen und der ungesch?nten Drastik der Novelle ist ebenso die Gestaltung des stark ambivalenten Protagonisten John Wiltshire hervorzuheben. Zwar wird der nebul?se Case bereits recht fr?h in der Erz?hlung als klarer Antagonist etabliert, allerdings ist von Beginn an offensichtlich, dass Wiltshire die Methoden der britischen Kolonialisierung genauso wenig in Frage stellt. Genauso wie Case verh?lt er sich den Eingeborenen gegen?ber unreflektiert voreingenommen, herablassend und grausam.

Letztlich erweist sich Wiltshire allerdings als "Held" der Novelle, da er nicht bereit ist, auf ?hnliche L?gen und Intrigen wie Case zur?ckzugreifen. All dies erweist sich trotz seines inh?renten Zynismus und seiner Tragik als einfach wunderbar zu lesen. Als sich Wiltshire auf der Suche nach dem mysteri?sen Tempel allein in den Dschungel begibt, steigt die Spannung der Erz?hlung ins Unermessliche und Stevensons schillernde Beschreibungen der Pracht der Dschungelflora sind schlicht atemberaubend. Schade nur, dass die deutsche ?bersetzung an anderen Orten der Erz?hlung teils ein wenig Feinschliff vermissen l?sst. Keine Frage: Robert Louis Stevenson hat hier eine Erz?hlung geschaffen, der eigentlich ein ?hnlicher Kultstatus geb?hrt wie seinen bekannteren Werken. Fans des Autoren sollten demzufolge auf jeden Fall zuschlagen. Und auch diejenigen, denen es einfach nach spannender Unterhaltung mit viel S?dseeflair verlangt, sind auf jeden Fall an der richtigen Adresse.

Johannes Schaack
24.08.2010

 
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Das Buch:

Alexander Pechmann (Hg.): Robert Louis Stevenson: Der Strand von Falesá. Aus dem Englischen von Alexander Pechmann

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Salzburg: Jung und Jung Verlag 2010
130 S., € 17,95
ISBN: 978-3-902497-73-4

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