Erzählbände & Kurzprosa

Das analytische Erzählen bei Ols Keith Rumor

In Ols Keith Rumors "gemüsegrünem" Buch "Der Lattich des Berton" agieren Berton und einige wenige andere Personen, unter ihnen Maeve, in einer Großstadt. Die zeitliche Dimension ist die eines Tages, der auch mehrere Rückblenden einschließt. Aber in diesem 165 Seiten starken Buch ist eigentlich Agieren das falsche Wort. Denn hier hält der reflektierende Verstand inne, um analysierend zu hinterfragen und nach Worten zu suchen. Wenn jemand springt, dann durch die Welt der Wahrnehmung und der Begriffe.

In dieser "romanverwandten Erzählung", die dem Leser einige Brocken aufbürdet, übernehmen kleine, unspektakuläre Episoden - so auch die mit dem Lattich auf dem Obst- und Gemüsemarkt - eher die Rolle von Übungsobjekten. Die 22 Kapitel jagen nicht einfach irgendwelchen Ereignissen nach, sie prüfen diese vielmehr, beschreiben die Vorgänge in der Psyche, die immer wieder neu zur Sprache findet. In ihrer feinsinnigen Art könnte man Rumors Sprache lyrisch nennen, gerade auch deshalb, weil sie sich in ihrer subjektiv gefühlten Freiheit eine surreale Annäherung erlaubt. Der Erzähler spielt, oft kafkaesk auch, was offene Sinne verlangt. Die Metaphern folgen sehr dicht, da muss immer auch bedacht werden, was "Echo" und ähnliche Schlüsselbegriffe konkret bedeuten mögen.

Wer das Buch liest, sollte die Bereitschaft aufbringen, sich auf ständige Reflexionen einzulassen. Die Dinge haben ihre Vorgeschichte, auch die Vorgeschichte des Betrachters. So verändern sie sich auch, verlieren oder gewinnen Substanz. Berton nimmt das ihm gebührende "Gestaltungsrecht seiner Wirklichkeit" wahr.

Es steckt viel Spannung in diesem Buch, in welchem man sich von Wort zu Wort nach vorne liest. Dem Ungeübten mag einiges geisterhaft vorkommen. Nur sollte er nicht dem Fehler verfallen, die Schilderung in irgendwelche exotischen Denknischen zu verbannen. "Der Lattich des Berton" ist keine andere, keine Laborwelt irgendwo im Abseits der Philosophie. Das Buch behandelt unseren Alltag, nur anders, grundsätzlicher. Die Kulissen sind sparsam angelegt, das Wesentliche ist die Frage nach dem Sein der Gegenstände, wobei bekanntlich das Sein den Schein einschließt. Wesenhaftigkeit ist hier ein Thema.

Ob man dieses Buch einfach so, unbegleitet, angehen kann und soll? Es wäre vielen wohl geholfen, wenn sie zuvor einen Blick auf Ols Keith Rumors Website werfen würden: www.ols-keith-rumor.com. Hier sollte man zunächst auf den Begriff "Fictitious Profanity" achten: "Die beschriebenen Ereignisse erlangen einen wesentlichen Teil ihrer Bedeutung durch die Weise, wie von ihnen schriftlich gesprochen wird". Entscheidend, so heißt es, sei die "Offenlegung wiederkehrender Muster und die Suche nach dem Unverwechselbaren in den Gefühlen, Gedanken und Handlungen Einzelner".

Als zweiten Begriff müsste man sich die "Bio-Narration" vornehmen. Bio-Narrative nennt Rumor erzählerische Intentionen, die auf Wertschätzung von Einzelheiten aus sind: "Jedem Projekt und jedem Thema muss eine neue Sprache zugeeignet werden." Das zeigt auf, wie kreativ letzten Endes Bücher wie "Der Lattich des Berton" sind. Sie sind es schon der Sprachschöpfung wegen.

Ronald Roggen
07.12.2009

 
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Das Buch:

Ols Keith Rumor: Der Lattich des Berton. Eine romanverwandte Erzählung

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Frankfurt am Main: August von Goethe Literaturverlag 2009
165 S., € 10,90
ISBN: 978-3-8372-0465-0

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