Briefliteratur & Tagebuch

Estländische Erinnerungen

Susanne Knapp hat ihre Erinnerungen an ihre Auslandsreise nach Estland in Briefform niedergeschrieben. Fünf Monate verweilte sie in dem Land, in dem es im Sommer eine Woche lang nicht dunkel wird. Sie arbeitete dort im Vanemuine, dem Theater Tartus, mit vielen anderen Akteuren an der Umsetzung der Zauberflöte, einer Oper Mozarts. Wann immer sie konnte schrieb sie ihre Eindrücke auf.

Dem Leser offenbart sich eine sehr offene Autorin, die einen wunderbaren Schreibstil hat. Man sieht sie förmlich hinter ihrem Schreibtisch sitzend, sinnierend, schreibend, nachdenklich. Erfrischend und belebend erzählt sie vom Leben dort, den Menschen und Örtlichkeiten. Immer bedacht auch das aktuelle Wetter mit einzubinden, weil es eine bestimmte Stimmung erzeugt und man sich so sehr gut in die Szene hineinversetzen kann, die sich gerade abspielt. Ebenso humorvoll und locker berichtet sie von den Proben, ihren Mitmenschen und dem Theaterleben, welches ihr sehr viel bedeutet und gibt. Aber auch Heimweh und Sehnsüchte spart sie nicht aus, steht offen zu ihren Gefühlen und lässt den Leser in ihr Innerstes schauen. Erfüllt von den Eindrücken gestalteten sich freie Tage und Wochenenden in Tartu wie von alleine.

Der Leser wird durch die Ausflüge hineingeführt in das lebendige Estland und seine Kultur. Mitunter hat man das Gefühl in den Briefen sei Jahrmarktstimmung. Man lernt die Menschen kennen, das Land lieben und die Örtlichkeiten schätzen, obwohl man all das gar nicht selbst kennt, so scheint man es doch zu kennen. Die Landschaftsbeschreibungen sind so bildhaft, dass man die Blumen blühen sieht. Die Gerüche sind genauso präsent, wie die Geräusche, die sie eindrucksvoll beschreibt. Die Gewitter in Tartu und das Abfackeln der Hölzer im Kamin sind gewiss nicht anders als in Deutschland und doch kommt es einem so vor. Die Zeit im Theater ist so energiegeladen und aktiv, dass man glaubt, mit auf der Bühne zu stehen. Mit allen Sinnen wird man entführt und kann lesend genießen, was Susanne Knapp erlebt hat.

Als sich die Reise im Buch dem Ende neigt, spürt man die aufkommende Traurigkeit und Nervosität. Traurigkeit, das alles bald vorbei ist, Vorfreude auf Deutschland, Nervosität vor der Premiere, Abschied nehmen und gleichzeitig Wiedersehen feiern. Der Leser vermisst bereits die so unterschiedlichen Akteure der Zauberflöte, wie Arila und Maria, mit ihren Eigenheiten, Macken, ihrem Humor, Witz und Charme, mit denen die Autorin am Theater probte. Die Kleider die man stets vor dem geistigen Auge sah, die Proben und all das Bühnenleben. Tartu bleibt nicht nur im Herzen der Autorin, sondern auch in dem des Lesers.

Tanja Küsters
23.03.2009

 
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Das Buch:

Susanne Knapp: Briefe aus Tartu

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Frankfurt am Main: August von Goethe Literaturverlag 2008
77 S., € 8,90
ISBN: 978-3-837-20251-9

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