Briefliteratur & Tagebuch

"Africa is a happy sad land. You'll make it, but you'll never be the same"

Es gibt zwei Afrikas auf dieser Erde, die unterschiedlicher nicht sein könnten. Das erste Afrika hat zwei gegensätzliche Gesichter. Zum einen zeigt es sich durch Hochglanzfotos von Elefanten oder Löwen, am liebsten vor der Kulisse des Kilimandscharo, von stolzen Massaikriegern und von lachenden Kindern vor hübschen runden Hütten. Zum anderen tritt es immer wieder durch Negativschlagzeilen über Hungersnöte, Bürgerkriege und übelste Despoten in westlichen Medien in Erscheinung. Es handelt sich um Klischeevorstellungen, die sich bei einem Großteil der Menschen Europas eingebrannt haben. Mit der Wirklichkeit hat dies nicht viel zu tun.

Das andere Afrika, so schrieb es bereits der bekannte polnische Journalist Ryszard Kapuscinski, der den schwarzen Kontinent jahrzehntelang bereiste, in seinem Buch "Afrikanisches Fieber", existiert gar nicht. Es ist nur ein geographischer Begriff, hinter dem sich "ein regelrechter Ozean, ein eigener Planet, ein vielfältiger, reicher Kosmos" verbirgt, den vor allem seine Menschen in aller ihrer Vielfalt prägen. Wer dieses Afrika kennen lernen möchte, der muss es bereisen, und zwar jenseits aller Pauschalreisetouren.

Afrika zu Fuß

Zwei Menschen, die dieses Bereisen auf sich nahmen, sind die Franzosen Sonia und Alexandre Poussin. Sie wählten die anstrengendste, aber auch intensivste und sicherlich interessanteste Art und Weise, sie gingen zu Fuß durch Afrika. Von Süd nach Nord nur mit minimalem Gepäck ausgerüstet, legten sie innerhalb von 39 Monaten knapp 14.000 Kilometer zwischen dem Kap der Guten Hoffnung und dem See Genezareth, per pedes zurück. Dabei achteten sie stets prinzipienfest darauf, tatsächlich jeden Kilometer auf Schusters Rappen zu meistern. Bot jemand an, sie mit dem Auto ein Stück mitzunehmen, um sie beispielsweise bei sich zu Hause einzuladen, bestanden sie darauf, im Anschluss wieder genau dort abgesetzt zu werden, wo sie ihre Wanderung unterbrochen hatten.

"Warum wandert ihr?"

So die Frage eines alten Mannes an die beiden. "Um euch kennenzulernen", lautete ihre Antwort. Diese Antwort macht das Hauptziel ihrer Wanderung - und damit auch den eigentlichen Reiz ihres Unterfangens - deutlich. Sonia und Alexandre wollten Afrika und seine Menschen hautnah kennen lernen. So war das Wandern an sich vor allem auch Mittel zum Zweck, um mit den unterschiedlichsten Menschen, ob nun Bauern, Holzfällern oder aber dem Führer der Opposition in Zimbabwe, Morgan Tsvangirai, in Kontakt zutreten, Gespräche mit ihnen zu führen und sich von ihnen ein persönliches Stück Afrika zeigen zu lassen.

Daneben wollten sie den Spuren der ersten Menschen aus Afrika heraus in die Welt folgen, wohl wissend, dass es einen solchen Weg in dieser Art nie gegeben hat. Dieses Ziel diente ihnen vor allem als Inspiration, höhere Motivation und Ansporn. Denn die ersten Menschen gingen schließlich auch zu Fuß. Daneben bestimmte dieses Ziel auch die ungefähre Route der beiden von Südafrika aus Richtung Nordosten etwa entlang der Grenzen des Urkontinents Gondwana und des afrikanischen Grabenbruchs bis nach Israel. Dabei hatten beide die genaue Strecke vorher allerdings nicht festgelegt. Sie ließen sich immer wieder von Anregungen und Hinweisen der Menschen leiten, auf die sie während ihrer Wanderung treffen, auch wenn sie prinzipiell dem kürzesten Weg zum See Genezareth folgten.

Afrika in und aus vielen Perspektiven

Ihre Erlebnisse - neben den Strapazen der Wanderung, der Angst vor Löwen u.A. hauptsächlich ihre Begegnungen mit Menschen - haben beide in einem zweibändigen Reisetagebuch niedergeschrieben. Während sie in ihrem ersten Buch über ihre Erfahrungen zwischen dem Kap der Guten Hoffnung und dem höchsten Berg Afrikas, dem Kilimandscharo, berichten, behandelt das zweite Buch ihren Weg vom Kilimandscharo bis zum See Genezareth. Durch ihre Aufzeichnungen entstehen zahlreiche facettenreiche Bilder von Afrika und seinen Menschen, Staaten und Völkern. Die Einstellungen und Perspektiven der einzelnen Menschen, die sie unterwegs trafen, sind höchst verschieden, wie die Autoren beispielsweise sehr anschaulich bereits an der ersten Etappe ihr Tour, Südafrika, darzustellen vermögen.

Alle diese Bilder, die die beiden aufzeigen, sind natürlich nur Teilausschnitte, die zusammengesetzt ein umfangreiches Porträt Afrikas vermitteln, ohne jedoch einen Anspruch auf Vollständigkeit erheben zu wollen. Sonia und Alexandre sind dabei durchaus sehr kritisch sind ihren Beobachtungen und lassen sich von ihren Gastgebern und deren Ansichten nicht einfach einlullen. Das zeigt sich sehr deutlich bei ihrem Zusammentreffen mit Vertretern der katholischen Kirche in Malawi, mit denen sie über das Thema Aids diskutieren. Auch an einem Gespräch mit dem Direktor einer staatlichen Landwirtschaftsschule in Zimbabwe ist dies klar erkennbar.

Lust auf Afrika jenseits aller Klischees

Der eigentliche Hauptautor beider Reisetagebücher ist Alexandre, so dass der gesamte Text, bis ein kürzerer Abschnitt über Frauenrituale im Sudan, den seine Frau Sonia verfasst hat, aus seiner Sicht geschildert wird. Er versteht es, spannend und unterhaltsam schreiben und die Leser mit nach Afrika zu entführen. Gleichzeitig gelingt es ihm, in seiner Sprache auch den Respekt und die Bewunderung, die er für den allergrößten Teil der Menschen empfindet, die ihm und Sonia begegnen, aufzuzeigen.

Der zweite Band allerdings wirkt zum Ende hin etwas zu langatmig, was wohl auch den Autoren bewusst geworden ist. So verweisen sie, zugegebener Weise an eher "unwichtigeren" Stellen, wie dem Besuch des Katharinenklosters im Sinai auf ihre Website, anstatt etwas in ihrem Buch darüber zu schreiben. Etwas verwirrend ist auch die Namensvielfallt, mit der der Leser konfrontiert wird. Viele der Menschen, auf die Sonia und Alexandre trafen, werden in ihren Büchern namentlich vorgestellt, wobei bei der zweiten Nennung häufiger im Deutschen weniger gebräuchliche Kurzformen verwendet werden, was nicht immer zum Verständnis beiträgt. Teilweise wird auch vergessen, Personen vorzustellen und dann tauchen plötzlich Namen auf, mit denen der Leser nicht viel anfangen kann.

Trotz dieser kleinen Schwächen sind die beiden Reiseberichte unbedingt empfehlenswert. Sie machen Lust auf ein Afrika jenseits aller Klischees. Und so lässt sich das alte Sprichwort britischer Afrikaforscher, welches als Überschrift für diese Rezension diente, nicht nur auf Sonia und Alexandre sondern - in übertragenden Sinne - auch auf den Leser selbst anwenden: Der Reisebericht wird seine Sicht auf den Kontinent verändern.

Robert Korntheuer
30.06.2008

 
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Das Buch:

Sonia und Alexandre Poussin: Afrika zu Fuß. Vom Kap der Guten Hoffnung zum Kilimandscharo

CMS_IMGTITLE[1]

Bielefeld: Delius Klasing 2008
349 S., € 19,95
ISBN: 978-3-7688-1878-0

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Sonia und Alexandre Poussin: Zu Fu? durch Afrika. Vom Kilimandscharo zum See Genezareth

CMS_IMGTITLE[4]

Bielefeld: Delius Klasing 2008 367 S., ? 19,90 ISBN: 978-3-7688-2426-2

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