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Über den Wolken

Kurt Lauber ist ein Mann, der sich im wahrsten Sinne des Wortes nach oben gearbeitet hat. Als Betreiber der Hörnlihütte versieht er zumindest in den Sommermonaten einen Rund-um-die-Uhr-Einsatz auf 3.260 Metern über dem Meeresspiegel. Die Hörnlihütte oberhalb des schweizerischen Zermatts ist für viele Bergsteiger der Ausgangspunkt für eine Matterhorn-Besteigung über den Hörnligrat, wobei nach Verlassen der Hütte immerhin noch weitere 1.228 Höhenmeter gemeistert werden müssen.

Seit Mitte der Neunziger betreibt und bewirtschaftet Lauber die Schutzhütte des Schweizer Alpen-Clubs. Deren Öffnungszeiten beschränken sich auf eine dreimonatige Sommersaison von Mitte Juni bis Mitte September, in der allerdings die Arbeit hochgradig komprimiert stattfindet und in der das Hüttenpersonal für Lauber zu einem temporären Familienersatz wird. Den Rest des Jahres verlebt Lauber, der darüber hinaus als Skilehrer, Bergführer, Hubschrauberpilot und Rettungsspezialist arbeitet, mit seiner Frau in Zermatt. Es mag bei dieser Konstellation auch kaum verwunderlich erscheinen, dass Laubers Sohn Kevin der jüngste Mensch ist, der je das Matterhorn bestiegen hat - nämlich bereits im Alter von acht Jahren, obgleich sein Vater ihn in seinem Tatendrang bremsen musste, dies nicht schon früher in Angriff zu nehmen.

Der Titel des vorliegenden Buchs mag ein wenig mächtig erscheinen, doch wird man nach dem Einblick in den Alltag des Kurt Lauber nicht umhin kommen, ihn tatsächlich als "Wächter des Matterhorns" zu bezeichnen. Zum einen ist er als Hüttenwirt für die vielen Bergsteiger der maßgebliche Kontaktmann im Angesicht des Matterhorns, zum anderen ist er in seiner Funktion als Bergretter natürlich sehr oft in Rettungseinsätze eingebunden, wobei er eine Vielfalt an Emotionen durchlebt. Da wären sowohl der Ärger über leichtsinnige Touristen, die sich maßlos überschätzen und ihre Tour überhaupt nicht oder nur fahrlässig vorbereitet haben, als auch die nahegehenden und tragischen Momente, in denen die Natur ihre Muskeln spielen lässt und dem Menschen seine Vergänglichkeit nachweist.

Auf den höchst kurzweiligen 250 Seiten gibt Lauber viele Geschichten aus seinem Leben preis, die mal zum Schmunzeln und mal zum Nachdenken anregen. Aufgrund der sehr einfach gehaltenen Sprache bekommt man rasch das Gefühl, dass hier der erfahrene Bergführer zu einem spricht und seine Geschichten als Lebensweisheiten aus dem Anekdotenschatz des Matterhorns präsentiert.

Das Buch erhebt allerdings nicht nur mahnend den Zeigefinger, sondern lässt einen sehr gut teilhaben an dem alltäglichen Treiben sowie den Herausforderungen auf der Hütte. Insbesondere der dortige Wassermangel wird sehr eindringlich beschrieben. Da sich die Wassergewinnung auf dieser Höhe eben sehr schwierig gestaltet, darf das Hüttenpersonal in Konsequenz nur einmal pro Woche duschen. Das intensive Leben, das Lauber inmitten der Natur führt, bedingt oftmals ein frühes Aufstehen bereits um drei Uhr, um den Bergsteigern, die in aller Früh zum Gipfel aufbrechen, ein Frühstück zu bereiten, sowie ein Arbeiten bis spät in die Nacht hinein. Kluge Organisation und Logistik sind vom Hüttenwirt gefragt, da alles ausnahmslos per Hubschrauber zur Hütte angeliefert werden muss. Diesem geschäftigen Treiben stehen allerdings auch Tage gegenüber, in denen aufgrund von Schlechtwetterphasen Lauber und sein Personal zum Nichtstun und zur Tatenlosigkeit verdammt sind.

Eine zusätzliche Aufwertung erfährt das vorliegende Buch durch zwei reichhaltig bebilderte Abschnitte, die sehr gut die wunderbar naturnahen, aber auch spartanischen Bedingungen auf der Hörnlihütte illustrieren und womöglich die Lust im Leser wecken, sich geradewegs zur Hörnlihütte zu begeben und gegebenenfalls auch an einer Matterhorn-Besteigung zu versuchen. Doch genau an dieser Stelle würde Kurt Lauber sicherlich sofort einschreiten und mahnend den Finger heben, dass ein solches Unterfangen kein Spaziergang sei, sondern entsprechende Erfahrung und Fitness voraussetze. Denn er weiß dies aus langjähriger Erfahrung, der Wächter des Matterhorns!

Christoph Mahnel
16.04.2012

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