Autobiographie

Ein ungewöhnliches Leben

Was wird aus einem Menschen, der seine Firma an die Wand fährt, von wechselnden Frauen Kinder hat, so ziemlich jeden Blödsinn angestellt hat, den man sich vorstellen kann, der nichts mehr hasst als enge Räume und Regeln jeder Art, dabei aber das Gespür für Situationen und Notwendigkeiten besitzt, das ihn zu einem Spezialisten für Chaossituationen macht? Der dank seiner guten Kindheit gnadenlos überzeugt ist, dass die Welt besser wird, wenn man sich anstrengt, der gegen jede Vernunft handelt, wenn er meint, dass das der einzige Weg ist?

Er wird der Gründer von Greenpeace International, dem einst verwegenen Trupp waghalsiger und risikobereiter Freaks, die mit ihren Schiffen an Atomsperrgrenzen segelten, sich von Schornsteinen abseilten, mit Schlauchbooten vor Walfängern kreuzten und niemals aufgaben. Sein Name? David McTaggart. Auf sein Pluskonto gehören die Einstellung der französischen Atombombenversuche, das Moratorium des kommerziellen Walfangs, die Resolution zum Schutz der Antarktis und die Öffnung der Sowjetunion für den Umweltschutz zu einer Zeit, als die Grenzen noch dicht waren.

Das ist kein Buch, das man mal anfängt und ein bisschen darin liest, um es nach Urzeiten wieder hervorzuholen. Nehmen Sie ein Wochenende, Sie werden nicht aufhören zu lesen, selbst wenn Sie der entschiedenste Freund von Atomstrom und Plastikfan sind. Was ein Mensch in ein einziges Leben packen kann, ist unglaublich. McTaggart ist jemand, von dem man sagen würde, dass er unter Strom stand. Er wurde durch sein Leben gejagt, als sei er auf der Flucht.

Seine Kindheit verlebte er die Sommer an der Buccaneer Bay - der Ort, an dem McTaggart seine Batterien aufladen konnte. Der Ort ist für McTaggert Kraftquell für alle Zeiten. David und sein älterer Bruder Drew sind ein absolutes Team, diese Freundschaft hält lebenslang. Während der große Bruder schon mit 18 weiß, was er will, sieht die Sache bei David ganz anders aus. Er weiß nur, was er nicht will und das ist eine ganze Menge. Bei einem Unfall verletzt er einen Menschen schwer - eine erste Krise, die sein Leben in eine neue Richtung bringt. Er hat Erfolg und heiratet, von Anfang an ist klar, dass das nicht gut geht. David ist kein Mann, der zu Hause sitzt und schon gar keiner, der in Familie macht, aller eigener Erfahrung zum Trotz. Er flüchtet, darin wird er im Lauf der Jahre Meister. Nicht nur aus dieser Ehe und aus seinem Job, das wird er in seinem Leben ebenfalls perfektionieren. Ungewöhnlich daran ist die unglaubliche Energie, mit der David es immer wieder schafft, Ideen zu haben und genug Menschen dafür zu begeistern. Vieles klappt hervorragend, aber wer viel macht, macht eben auch Mist und so wird manches Projekt mit Schwung vor die Wand gefahren.

McTaggert aber steigt aus, konstatiert den Schaden und marschiert mit Beulenpflaster weiter zur nächsten Baustelle. Kurz vor seinem 38. Geburtstag setzt sich David in ein Flugzeug nach Tahiti, einfach so, mal wieder abhauen, diesmal von einer größeren Katastrophe flüchten. Er will sich ein Segelboot kaufen und ein bisschen schippern. Midlife-Crisis nennt man das wohl. In einem Sturm auf dem Meer kommt David wieder einmal an Grenzen - er genießt die Situation voll und ganz, er ist wieder da, doch noch ruht alles.

Irgendwann lernt er Ann-Marie Horne kennen. Durch die Freundschaft zu ihr wird aus dem ruhelosen Suchenden ein Mensch, der seine Fähigkeiten zunehmend dafür einsetzt, das Unmögliche zu packen - die Welt von der Notwendigkeit des Umdenkens zu überzeugen. Die Mittel entsprechen ihm und spiegeln die damalige Taktik der Überraschungseffekte, das Wachrütteln, das genaue Aufzeigen gravierender Probleme, hier kann sich Davids Talent ganz entfalten. Er kämpft an allen Fronten, gegen die Uneinsichtigkeit der Regierungen, gegen die Bequemlichkeit und mangelnde Fähigkeit, das eigene Hirn zu benutzen, das die Menschen gerne auszeichnet, gegen Widerstand in den eigenen Reihen.

Davids unglaubliches Gespür für noch verborgene Fähigkeiten potentieller Mitarbeiter ist legendär - er suchte sich mit traumwandlerischer Sicherheit genau die Leute zusammen, die er für ein Projekt brauchte. Egal, an welcher Stelle im Leben sie bis dahin standen - wenn David rief, gab es keinen Widerspruch und seltsamerweise irrte er sich nicht. Davids Wege waren niemals breit und viel begangen, sondern ungewöhnlich, mutig, gegen alle Striche gebürstet, individuell und, in der Autobiographie eben rückblickend betrachtet, von einer unglaublichen Präzision in Richtung Greenpeace.

Wir würden unser eigenes Leben vielleicht etwas mutiger leben, wenn wir wüssten, dass unsere Irrwege letztlich doch ein Ziel haben. Dazu fordert das Buch auf, es ist witzig, traurig, wütend, spannender als ein Krimi, aufrüttelnd und am Ende steht: "Das ist wieder eine so große Kampagne wie die Rettung der Antarktis. Und ich sehe klare, praktische, kleine Schritte, wie wir sie gewinnen können. Es ist einfach, ganz im Ernst. Ich denke, ich werde es versuchen." David MacTaggart starb an einem wunderschönen Frühlingstag, am 23.3.2001.

csc 
04.05.2003

 
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Das Buch:

David McTaggart: Rainbow Warrior. Die Autobiographie des Greenpeace-Gründers

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München: Goldmann Verlag 2003
351 S.
ISBN: 3-442-15201-1

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