Autobiographie

Ein quälendes Halbwissen

Ursula Oelschlägel erzählt in "Die lang quälende Frage" die Geschichte ihrer eigenen Familie und der ihrer Vorfahren - immer an ihrer Seite ihr Mann Volkmar und später auch die Kinder Torsten und Ivonne. Die Autorin beginnt mit dem Jahr 1996 und ihrem 50. Geburtstag, den sie eigentlich mit ihrem Mann in Paris verbringen wollte. Sie erzählt, wie es dazu kam, dass sie die Reise nach Frankreich nicht antreten konnten und kommt dabei einer quälenden Frage auf die Spur, die sie schon so lange begleitet und deren Beantwortung ihr auf der Seele brennt. Dabei weiß sie schon längst einen Teil dieser Vergangenheit, doch sie möchte die vollständige Aufklärung. Und dabei kann ihr nur ihre Mutter helfen, die den anderen Teil kennt.

So beginnt die Autorin über den Hausbau in Suhl zu erzählen, den sie und ihr Mann kurz nach der Geburt der Kinder begonnen haben. Mit ein wenig Glück und Beziehungen schaffen sie es, vier Jahre später einzuziehen. 1990 haben sie bereits ein Autohaus gegründet. Suhl nahm eine rasante Entwicklung und die Industrie dort wuchs wie Pilze aus dem Boden.

Immer wieder schreibt die Autorin über Familienfeiern und -feste, wo sich die ganze Familie zusammenfindet. Auch berichtet sie von traurigen Momenten, als beispielsweise ihr Vater stirbt. Ursula Oelschlägel schreibt mit herzerwärmender Wehmut über Vergangenes und den Tod und mit ebensolcher Hingabe über das Leben, die Landschaft und ihre persönlichen Erfahrungen. Mitunter riecht man das Essen und sieht die Landstriche vor sich. Dabei nimmt sie den Leser mit auf eine Reise quer durch Deutschland und Europa. Von Bayern aus geht es nach Thüringen, bis hin nach Mecklenburg-Vorpommern und zurück zum Allgäu. Die Familie wohnt nicht beisammen und so sind immer wieder kleine Reisen nötig, um sich zusammenzufinden.

Getrieben von der Klärung dieser in ihr lauernden Frage begibt sich die Autorin auf eine Zeitreise, die sogar noch weiter weg führt - über die Grenzen hinaus, bis nach Österreich und Polen und ganz besonders nach Bessarabien, ins ehemalige Russland. An ihrem 50. Geburtstag drängt es die Autorin dann endlich, sich die Antwort auf die schon so viele Jahre quälende Frage zu holen. Als der Tag sich schon fast dem Ende neigt und sie glaubt, es könnte wieder einmal, wie schon so oft, zu spät sein, bekommt sie die Chance mit ihrer Mutter zu sprechen. Ganz allein, stellt sie ihr die alles entscheidende Frage. Was sie erfährt ist traurig, grauenvoll, aber auch anrührend. Und endlich schließt sich der Kreis der Ungewissheit ...

"Die lang quälende Frage" ist ein Buch mit unverwechselbarer Stimme. Die Wörter setzen sich fest, haften an einem, während man liest. Manchmal möchte man Teil dieser Familie sein; dann wieder ist man froh, genau das nicht erlebt zu haben, einer anderen Zeit zu entstammen. Neben der Familiengeschichte erfährt der Leser auch etwas über die deutsche Geschichte und den Krieg. Ein wertvolles, leises Buch mit einer schönen, aber auch nachdenklich stimmenden Geschichte. Es entführt einen zuerst in die 90er Jahre, dann in das Nachkriegsdeutschland und zu guter Letzt mitten in den Krieg und seine Machenschaften und Folgen - sowohl für die vielen Verwundeten und Gefallenen, als auch ihre hinterbliebenen Frauen.

Knapp nach der Hälfte des Buches taucht man so tief in die Vergangenheit, dass man sehr schnell ahnt, worauf es hinauslaufen wird, als Mutter und Tochter am Tisch sitzen und die Wahrheit zur Sprache kommt. Es schnürt einem augenblicklich die Kehle zu und wenn man den Text laut lesen müsste, würde man einen Kloß im Hals verspüren. Doch zum Ende hin wendet sich das Blatt wieder und man weiß nicht so recht, ob man traurig oder froh sein soll über die Entwicklung.

Tanja Küsters 
20.09.2010

 
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Das Buch:

Ursula Oelschlägel: Die lang quälende Frage

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Frankfurt am Main: Frankfurter Literaturverlag 2010
129 S., € 13,80
ISBN: 978-3-8372-0724-8

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