Autobiographie

Positiv verrückt

Gemeinhin wird im Fußball Torhütern und Linksaußen nachgesagt, dass sie zur Ausübung ihres Berufes ein wenig verrückt sein müssen. Auf Lutz Pfannenstiel trifft dies auf jeden Fall zu! Seit seinen Kindheitstagen im bayerischen Zwiesel träumte er von nichts anderem, als irgendwann einmal als Torwart im Profifußball aktiv zu sein. Dies verfolgte er bereits in jungen Jahren mit einer Besessenheit, die seine Mutter zur Verzweiflung brachte und die Leute im Ort kopfschüttelnd urteilen ließ: "Der kleine Pfannenstiel, das ist ein Verrückter."

Es gibt wahrscheinlich keinen vergleichbaren Profisportler auf der Welt, der eine solch illustre Reise über den Globus unternommen hat, um der Ausübung seines Sports nachzukommen. Pfannenstiel hat mit gerade einmal zwanzig Jahren seine erste Auslandsstation angesteuert, und dabei war Malaysia sicherlich keine der gängigsten oder naheliegendsten Adressen. Außergewöhnlich war seine Entscheidung vor allem deshalb, weil er zum selben Zeitpunkt einen Amateurvertrag beim FC Bayern München unterschriftsreif vorliegen hatte. Da Pfannenstiel aber sofort Profi werden wollte und ihn die sonnigen Aussichten Südostasiens lockten, nahm er an. So begann 1994 eine Reise über alle Kontinente hinweg, bis er 2008 durch sein Engagement in Brasilien zum einzig wahren Welttorhüter geadelt wurde. Welttorhüter deswegen, weil er als Profi Station auf allen sechs zur FIFA gehörigen Kontinentalverbänden gemacht hatte: Europa, Asien, Afrika, Südamerika, Nord-/Mittelamerika und Ozeanien.

Da Pfannenstiel sich nie länger als zwei Jahre bei einem Klub aufhielt, liest sich seine sportliche Vita wie die Urlaubsliste unternehmungslustiger Globetrotter. Dass er dabei allerdings vielmehr erleben durfte, aber auch erleiden musste, rechtfertigt das Erscheinen der vorliegenden Autobiographie. Am spektakulärsten und ihm auch nachhaltig am meisten in Erinnerung bleibend war dabei die Verhaftung in Singapur ob angeblicher Spielmanipulationen, inklusive des sich anschließenden 101-tägigen Haftaufenthaltes. Angesichts dieses Martyriums geht sein Beinahe-Tod auf dem Ground des englischen Amateurklubs Bradford PA AFC fast unter. Nach einer Kollision mit einem gegnerischen Stürmer musste er dem Physiotherapeuten der eigenen Mannschaft danken, nachdem dieser ihn noch auf dem Platz dreimal erfolgreich wiederbeleben konnte.

Pfannenstiels Autobiographie ist ein höchst kurzweiliges Lesevergnügen für Fußball-Fans und erinnert ein wenig an Lars Leeses "Traumhüter", das als eines der Fußballbücher auf dem deutschen Markt gilt, obgleich den beiden Büchern völlig unterschiedliche Spannungskurven unterliegen. Pfannenstiels Talent war reichlich, aber für die ganz große Karriere doch beschränkt. Gut und gerne hätte er zwei Jahrzehnte in Deutschland in der Zweiten oder Dritten Liga spielen können, dabei viel Geld verdienen können und heimisch werden. Doch genau dies war dem sehr speziellen Charakter Pfannenstiels stets zuwider. Wie im vorliegenden Buch deutlich wird, waren es immer wieder die Hummeln in seinem Hintern, die ihn die Koffer packen und ins nächste Abenteuer stürzen ließen.

Der Leser klebt an Pfannenstiels Erzählungen, der auch kein Blatt vor den Mund nimmt, was eigene Verfehlungen betrifft. Retrospektiv betrachtet scheint er genau zu wissen, in welchen Momenten seiner Karriere er sich wohl besser anders entschieden hätte. Diese Ehrlichkeit ehrt Pfannenstiel und dafür schätzt ihn der Leser und verzeiht ihm auch ein paar Ungenauigkeiten im vorliegenden Buch, wie z.B. auf der Weltkarte seiner Stationen, wo die Marker für Albanien, Malaysia und Singapur leicht deplaziert sind, ebenso wie der Hinweis auf Nottingham Forests Erfolge gegen Ende der Siebziger, die nämlich nicht im UEFA-Cup, sondern vielmehr im Europapokal der Landesmeister erfolgreich waren.

Es macht ungeheuren Spaß, die zwei Jahrzehnte lange Reise des Lutz Pfannenstiels zu verfolgen, auch wenn er durch seine fußballerischen Leistungen bis dahin nicht einmal Insidern ein Begriff gewesen ist. Das vorliegende Buch ist darüber hinaus eine Liebeserklärung an das Spiel mit dem runden Leder, denn ohne diese Liebe hätte Pfannenstiel seine Reise sicherlich schon viel früher beendet. Welch Glück für den Leser, der diese Reise nun bis ans Ende mitbegleiten durfte!

Christoph Mahnel
22.03.2010

 
Diese Rezension bookmarken:

Das Buch:

Lutz Pfannenstiel und Christian Putsch: Unhaltbar - Meine Abenteuer als Welttorhüter

CMS_IMGTITLE[1]

Reinbek: rororo Verlag 2009 255 S., € 8,95 ISBN: 978-3-499-62508-4

Diesen Titel

Logo von Amazon.de: Diesen Titel können Sie über diesen Link bei Amazon bestellen.