Autobiographie

Die "Kondom-Nonne"

Die Nonne des Ordens "Vom Kostbaren Blut", Schwester Maria Lauda, ist als Missionskrankenschwester in Afrika. Als sie eines Tages in einem Auto mitfährt, sieht sie am Wegesrand nicht nur verlassene Dörfer, sondern auch eine aufgedunsene Leiche, die am Straßenrand liegt - was scheinbar niemanden kümmert. Maria Lauda fährt durch eine Gegend, in der Aids ganze Familien auslöscht. Und der Vatikan verbietet vehement Kondome, die wenigstens die Ausbreitung dieser Krankheit etwas eindämmen könnten, weil er den "zügellosen" Sex fürchtet. Aber "mit der Sexualität hatte die Kirche schon immer Probleme", weiß Maria Lauda.

Die Schwester Maria Lauda, in den Medien als die "Kondom-Nonne" betitelt, ist heute keine Nonne mehr. In ihrer Autobiographie "Das möge Gott verhüten", berichtet die heute 71-Jährige, wie sie 1995 aus ihrem Orden "gegangen wurde" - wenn man nicht sogar von einem extremen Mobbing sprechen muss, welches schließlich zu dem Austritt aus dem Orden geführt hat, in dem sie 33 Jahre wirkte. Der Grund: Eine befreundete Ärztin von Schwester Maria Lauda bat sie eines Tages, sie in das Rotlichtmilieu der Stadt Morogoro (Tansania) zu begleiten. Viele der Frauen, die sich dort prostituieren, tun dies nicht freiwillig, sondern sind durch Armut gezwungen ihre Körper zu verkaufen. Dabei haben sich die meisten mit dem HI-Virus angesteckt, denn Kondome - die die Frauen schützen könnten - gibt es kaum. Schwester Maria Lauda spendete den kranken Frauen, ihren oftmals ebenfalls kranken Kindern und Angehörigen Trost, während die Ärztin neben ihren Medikamenten auch Kondome verteilte. Diese Kombination passte aber den Kirchenoberen gar nicht, aber statt Maria Lauda zur Rede zu stellen, wurde sie schließlich "kalt gestellt" - im Orden habe man keine Verwendung mehr für sie.

Eine Nonne im Korsett

Chronologisch beginnt Majella Lenzen, so der bürgerliche Name der ehemaligen Nonne, von ihrem frühen Entschluss Nonne zu werden, zu berichten. Bereits ihre geliebte Patentante war missionarisch in Afrika tätig: In Krankenhäusern und kulturellen Einrichtungen half sie  ärmeren Menschen. Mit dem Eintritt in den Orden "Vom Kostbaren Blut" ging für Lenzen ein Traum in Erfüllung. Ihre heilige Profess legte sie mit voller Überzeugung ab und bis heute zweifelt sie kein bisschen an ihrem Glauben. Nach einer Ausbildung zur Krankenschwester half sie in Turiani (Tansania) in einem Tropenkrankenhaus, dessen Leitung sie später übernehmen sollte. Überhaupt zeichnete sich Lenzen durch große Disziplin, Mut und einem Blick für das logisch Machbare aus.

Je älter Lenzen wurde, desto stärker entwickelte sich ihr Selbstvertrauen und desto enger wurde das Korsett, das Kirche und Ordensgesetze ihr schnürten. Zwar zog Lenzen Hoffnung aus dem Zweiten Vatikanischen Konzil, doch de facto kamen von den etwas gemäßigteren Gesetzen nur sehr wenige bei den Ordensmitgliedern in Afrika an. "Sie hatten keine Chance", bestätigten Lenzen viele Kirchenspezialisten und -kenner nach ihrem Austritt - auf den im Übrigen eine Situation der Mittellosigkeit folgte, da Nonnen keinen eigenen Besitz haben dürfen und somit auch keine finanziellen Rücklagen besitzen.

Mut zur Wahrheit

Bis heute engagiert sich Majella Lenzen für die Menschen, denen sie als Nonne nicht mehr Vorort in Afrika helfen kann. Denn der Grund, warum sie Missionsschwester geworden ist, war das Bedürfnis, anderen Menschen im Sinne der christlichen Nächstenliebe zu helfen. So erklärt sich, dass ihr auch nach ihrem Ordensaustritt viele Spender und Helfende gewogen blieben.

Majella Lenzen gewährt mit ihrem Buch "Das möge Gott verhüten" einen einzigartigen Blick hinter die Mauern der Klöster. Das verzweifelte Festhalten an alten Konventionen und eine Einstellung von "das haben wir eben schon immer so gemacht" prägen den Alltag der Nonnen. Wer aus der Reihe fällt, ist verdächtig, wer zu tüchtig ist, zieht dagegen den Neid der Mitschwestern auf sich und sieht sich Denunziationen ausgesetzt - die von den Oberen nicht hinterfragt, sondern eher genutzt werden, um weiteren Druck auszuüben.

Und trotz aller Kritik am Ordensleben und am Vatikan steht Lenzens Buch gleichzeitig für ein Vorbild an gelebter Nächstenliebe und Gottvertrauen, an dem sich jeder Leser ein Beispiel nehmen kann. Majella Lenzen überzeugt auch mit ihrem klaren, eindringlichen und angenehmen Sprachstil, bei dem das Lesen zur Freude wird. In farbigen und lebhaften Bildern beschreibt sie ihre glücklichsten Zeiten in Afrika, ihre schlimmsten Lebensmomente dagegen in einer aufklärenden Weise. Selbst wenn Lenzen Kritik übt, wird ihre Sprache nicht abwertend, sondern eher ausdrucksvoll, so behält der Leser genug Raum, sich seine eigene Meinung zu bilden - den Raum, den Lenzen im Orden fast nie zugestanden bekam. Lenzens Buch ist das beeindruckende Zeugnis, einer noch beeindruckenderen Frau.

Maria Merten
07.09.2009

 
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Das Buch:

Majella Lenzen: Das möge Gott verhüten. Warum ich keine Nonne mehr sein kann

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Köln: Dumont Verlag 2009
284 S., € 19,95
ISBN 978-3-8321-9519-9

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