Autobiographie

Die Sehnsucht nach Liebe

Die Autorin hat eine Liebesautobiografie verfasst, die den Leser in eine Welt der Aufopferung, Anpassung und unermüdlichen Leidenschaft entführt. Doch geschieht dies einseitig, ohne Rücksicht auf ihre eigenen Gefühle. Und Leidenschaft meint hier nicht nur die Sehnsucht nach körperlicher Vereinigung, sondern vielmehr nach Anerkennung, als liebende Frau, die bereit ist alles zu geben - nur um einen Funken Aufmerksamkeit und Zweisamkeit zu bekommen. Danach dürstet die Autorin und bleibt ein Leben lang auf der Suche, mit teils befriedigendem, aber auch ungenügendem Ergebnis.

Als Achtzehnjährige war die Autorin ein physisches und psychisches Wrack. Unbehandelte Erkrankungen, zu spät erkannte Gesundheitsstörungen, eine schlecht sitzende Zahnspange, die sie verunstaltete, der viel zu frühe Verlust ihres Vaters und dann auch noch der Verlust ihrer Jungfräulichkeit in den Wirren des endenden Weltkrieges, durch einen Russen. Ein verheerender Makel, der Narben zurücklassen und das spätere Handeln und Denken beeinflussen würde. Ein lebenslanges Brandzeichen. Und dennoch fand die Autorin einen Mann. Doch er stand anfänglich nicht wirklich zu ihr, wollte die Beziehung verheimlichen und ließ sich nur nach und nach dazu bringen, sie zu ehelichen.

Es folgten Jahre, die einer manischen Depression glichen. Mal war alles gut, wurden Kinder geboren, fand sich eine Arbeitsstelle für beide, die sie zufriedenstellte, doch weitaus häufiger bekam sie seine Zurückhaltung, gar Abweisung zu spüren, Jähzorn gegenüber den Kindern entwickelte sich, Urlaube wurden zur Farce und von Liebe konnte nicht die Rede sein. Doch an eine Trennung dachten beide nicht. Eines Tages trat ein anderer Mann in ihr Leben, ihr Vorgesetzter Heiner. Zu ihm entwickelte sie eine körperliche Liebe, verrannte sich förmlich in der Vorfreude darauf, mit ihm ihren Lebensabend zu verbringen. Doch sehr schnell machte er ihr klar, dass es für ihn nur die Ehe mit seiner Frau gab, er nur nebenher Zeitvertreib suchte. Für sie ein Schock, doch die körperliche Anziehung war enorm groß und so ließ sie sich darauf ein. Und sie blieb nicht die einzige "Nebenfrau", aber dennoch sein bestes "Liebchen", die Beständigste.

Sie lebten beide ein Doppelleben, ohne dass ihre Ehepartner etwas ahnten oder erfuhren. Doch die folgenden Jahre waren trotz zweier Männer arm an Geborgenheit und Zweisamkeit, denn Walter war wenig herzlich, nur karg liebend, und Heiner war eigennützig und halbherzig. Beide Männer waren letztlich nur auf sich bedacht und sie kam zu kurz in allen Belangen. Doch die innerliche Sucht nach auch nur ein wenig Zuwendung und Aufmerksamkeit und körperlicher Liebe machte all das vergessen. Jahre, gar Jahrzehnte des Versteckspielens folgten. Oft wurde sie aufs Abstellgleis gestellt, um dann wieder in Gang gesetzt zu werden, wenn es Heiner beliebte. Von Walter wurde sie ebenso häufig geächtet auf andere Art und Weise. Alle lebten aneinander vorbei, jeder nur für sich. Die Familie war Pflichtprogramm für das ungleiche Trio. Und selbst als bei allen dreien körperliche Gebrechen Einzug halten, das Rentenalter eintritt und einer von ihnen stirbt, ändert sich nicht wirklich etwas ...

Mittendrin in diesem Auf und Ab ihrer Gefühlswelt beginnt die Autorin Verse niederzuschreiben. Sie reimt ihre Gefühle auf wundervollste Art und Weise, trägt die Natur auf poetischen Schwingen dahin und verarbeitet so ihr Unglück, die Schmach dieses Lebens, aus dem sie trotzdem nie freiwillig hätte ausbrechen wollen, für welches sie sich eigenständig entschieden hat. Oft war sie naiv, zu wenig selbstkritisch, mangelnd selbstbewusst und dennoch stets wissend was da mit ihr geschieht, vor sich geht. Das Schreiben dieser Zeilen hat sie über Wasser gehalten, ihr Verarbeitung ermöglicht und wunderbar hat die Autorin beides zu diesem Buch verwoben. Mitten hinein in den Text platziert sie diese Reime: Wunderschön zu lesen. Man kann die Augen schließen und begreift so manch fragwürdige Entscheidung, so manch unerfüllt gebliebene Sehnsucht trotz allen Sehnens und Mühens. Und doch ist ihr moralisch nichts vorzuwerfen, denn sie war stets darauf bedacht, es allen Beteiligten recht zu machen, niemandem weh zu tun, selbst dafür durch die Hölle zu gehen, um am Ende sagen zu können, dass es so - trotz allem - richtig war und sie mit dem Wenigen, was sie in der Liebe erreichen wollte und erreicht hatte, zufrieden war. Letztlich gar glücklich und mit sich und dem Leben versöhnt, aller Entbehrungen und Fehlbarkeiten zum Trotz. Ein nachdenklich machendes Kleinod.

Tanja Küsters
25.05.2009

 
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Das Buch:

A. S. Wehder: Kuckucksjahre

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Berlin: Epubli GmbH 2009
171 S., € 12,00
ISBN: 978-3-869-31045-9

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