Autobiographie

Die Bewältigung einer grausamen Vergangenheit

Wer im Dritten Reich sein Dasein in einem der unzähligen Konzentrationslager fristen musste, wird dieses einschneidende Erlebnis ein Leben lang nicht vergessen können. Der Alltag war geprägt von Ängsten, Hunger, Krankheiten und Tod. Nur wenige der Überlebenden wollen über diese Zeit öffentlich sprechen. Eine der Wenigen, die darüber reden und schreiben, ist die Österreicherin Ceija Stojka, die als Elfjährige, als Zugehörige der Roma, einige Monate im KZ Bergen-Belsen verbrachte und die dort gefristeten Wochen in ihrem Buch "Träume ich, dass ich lebe?" nun für sich verarbeitet.

Die kleine Ceija landet nach Aufenthalten in den Konzentrationslagern Auschwitz und Ravensbrück schließlich zusammen mit ihrer Mutter und einigen Bekannten, nach einem schier endlos langen Fußmarsch, im berüchtigten Konzentrationslager Bergen-Belsen. Dort fristet sie bis zur Befreiung des Lagers im April 1945 ihr Leben und muss sich allen Widrigkeiten des Lageralltages stellen. So gibt es beispielsweise kein Essen, nichts zu trinken, keine Kleidung und keine gesundheitliche Versorgung. Doch mit viel Erfindungsreichtum, wenn zum Beispiel Erde, Blätter oder Kleidung gegessen werden oder man sich zwischen die Leichen legt, um es im kalten Winter warm zu haben, sowie einer kräftigen Portion Glück und Durchhaltevermögen können Ceija und ihre Mutter überleben. Nach der Befreiung durch britische Truppen machen sich Mutter und Kind auf den Rückweg in die Heimat, zurück nach Wien. Der Weg dorthin dauert über drei Monate, doch er lohnt sich, denn dort erwarten sie die Familienangehörigen und Freunde. Nun beginnt für das Mädchen endlich ein freies Leben nach dem Krieg und dem Dahinvegetieren in den Konzentrationslagern.

Das autobiographische Buch ist aus einem Interview mit der Herausgeberin Karin Berger entstanden. Dabei zeigen sich deutlich die falschen und gefährlichen Ideologien, die im Dritten Reich propagiert wurden und deren Folgen bis heute die Menschen erschüttern. Der Bericht Stojkas erinnert ebenfalls eindrücklich an die zahllosen Sinti und Roma, die dem NS-Regime zum Opfer gefallen sind.

Selbst 60 Jahre nach ihren Erlebnissen in Bergen-Belsen peinigen Ceija Stojka die Erinnerungen immer noch. Doch darüber zu sprechen und zu schreiben, scheint Stojka, wie vielen anderen Opfern der NS-Diktatur, zu helfen die Vergangenheit zu verarbeiten. Dies ist innerhalb des Textes sehr deutlich sichtbar, wenn die über 70 Jahre alte Dame in den Worten einer Elfjährigen detailliert diesen Lebensausschnitt erzählt. Stojkas Buch rüttelt den Leser wach und zeigt ihm unverblümt die grausame Tötungsmaschinerie der Nationalsozialisten auf. Indem Stojka ihre schmerzhaften Erinnerungen mit den heute Lebenden teilt - die oftmals weit nach der Zeit des Dritten Reiches geboren wurden - hilft sie mit, die Erinnerung lebendig zu halten, auf dass es nie wieder einen Holocaust geben möge.

Susann Fleischer
18.05.2009

 
Diese Rezension bookmarken:

Das Buch:

Karin Berger (Hg.): Ceija Stojka: Träume ich, dass ich lebe? Befreit aus Bergen-Belsen

CMS_IMGTITLE[1]

München: cbt Verlag 2009
128 S., € 5,95
ab 14 Jahren
ISBN: 978-3-570-30394-8

Diesen Titel

Logo von Amazon.de: Diesen Titel können Sie über diesen Link bei Amazon bestellen.