Autobiographie

Aus Jutta Sorge wird Amanda Bohlken

Jutta Sorge ist am 2.9.1970 auf Republikflucht, ihrer Westliebe wegen. In Bulgarien wird schnell klar, dass der "antifaschistische Schutzwall" auch außerhalb der DDR greift. Sie kommt in U-Haft. Was dann folgt, ist eine Farce und gleichzeitig der Beginn einer traumatischen Inhaftierung, unzähligen Verhören, Schikanen, psychologischer Folter und einem ständigen, über Jahre anhaltenden Wechselbad der Gefühle. All das gekrönt von düsteren elf Monaten im Hohenecker Frauengefängnis.

Der Glaube erschüttert, die Hoffnung zerstört, wird Jutta Sorge freigekauft, denn mit den DDR-Häftlingen lässt sich reger Menschenhandel und somit Geld verdienen. Sie darf zurück in die Freiheit und in ihr Leben. Doch sie kommt nicht wirklich an. Der Mauerfall 1989 löste bei den meisten DDR-Bürgern exstatische Freude aus, doch für Jutta Sorge ist dies ein Ereignis, welches alle erlebten und begrabenen Erinnerungen wieder hervorholt. Für die meisten beginnt ein unbeschwerteres Leben, doch sie spürt, dass sie sich mit der Vergangenheit auseinandersetzen muss, um wirklich Ruhe zu finden, die Dämonen in die Schranken zu weisen. Es folgen etliche Therapien. Sie bereist Schauplätze ihres Leidens, besucht Orte der Vergangenheit und trifft sogar auf eine Wärterin aus Hoheneck. Aber nur diese tiefenpsychologisch fundierte Therapie, Autogene Imagination und die Meditationsformen verhelfen Jutta Sorge zur Versöhnung, schwämmen Rachegedanken und Opferverhalten aus und fluten ihr Leben mit Zuversicht und Seelenfrieden.Daraus geht sie gestärkt als Amanda Bohlken hervor, die es am 1.6.2001 endlich geschafft hat, mit dem neuen Namen den Mut Juttas zu würdigen.

Die Autorin schreibt schonungslos, ergreifend und offen von ihren Empfindungen und Ängsten. Sie tut das nicht polternd und laut, sondern empfindsam eindringlich und leise erschütternd. Sie gibt Einblick in die Haftbedingungen, das DDR-Regime, sein Vorgehen und seine gläsernen Bürger, die die meiste Zeit gar nicht wussten, dass bereits Akten über sie vorlagen, die fleißig gefüllt wurden. Sie gibt tiefe Einblicke in ihre Seele. Amanda Bohlken schreibt zuweilen chronologisch, dann wieder in Tagebuchform. Sie berichtet aktiv und holt die vergangene Zeit ganz nah heran. Sie schreibt auch Briefverkehr nieder und spielt zwischendrin immer wieder Therapiesitzungen oder deren Entwicklung ein. Der Leser erfährt also Stück für Stück die Vergangenheit und wird dabei gleichzeitig versorgt mit der Bewältigung dieses Traumas. Denn die Erzählung dessen erfolgt im Grunde durch die Therapiesitzungen und aktive Rückblenden, Erinnerungen und Auseinandersetzungen oder Erklärungen. Es wird also nicht erst umfangreich erzählt und dann die Heilungswege erörtert, sondern beides verschmilzt zusammen und ergibt ein Bild des Ganzen. Für viele Menschen könnte dieses Buch "selbsttherapierend" sein, denn Amanda Bohlken gibt außerdem noch Heilungsmethoden mit auf den Weg und offenbart so allen Opfern psychischer und physischer Gewalt einen Ausweg und bietet durch ihre Offenbarungen Möglichkeiten zur Selbstheilung.

Ein Buch welches nachhaltig wirkt und dessen aufklärender, informativer Inhalt, mal ganz abgesehen von dem Erlebten, nie in Vergessenheit geraten sollte.

Tanja Küsters
13.05.2008

 
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Das Buch:

Amanda Bohlken: Die dritte Dimension der Tränen. DDR-Flucht, Haft und Trauma, Heilungswege

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Leipzig: Forum Verlag 2007
278 S., € 18,80
ISBN: 978-3-931801-64-9

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