Autobiographie

Eine Lektüre, die den Leser erheitert, ihn aber auch nachdenklich macht

Autobiografien liest man oftmals nur von berühmten historischen Personen, wie zum Beispiel von Königin Elisabeth I., Zarin Katharina die Große, der Florentiner Familie de' Medici und Papst Alexander VI., auch bekannt als Rodrigo Borgia. Aber die von und über Jörg Müller lohnt ebenfalls eine Entdeckung. Wodurch "Gerade noch mal gut gegangen" sich von denen aus der breiten Masse unterscheidet? Sie liest sich sehr, sehr kurzweilig. Der Autor lässt es in den Schilderungen aus seinem Leben nicht an Humor fehlen. Doch sind seine Erlebnisse auch immer wieder durchdrungen von Gottesglauben. Der Untertitel "Wie Gott mich führte" lässt den Leser glauben, dass es sich hierbei um ein religiöses Buch handelt. Und trotzdem hat man selbst als bekennende Agnostikerin großen Lesespaß bis zum letzten Satz.

Jörg Müller kann auf ein aufregendes, erlebnisreiches Leben zurückblicken. Umso verwunderlicher, dass seine Autobiografie mit nicht einmal 100 Buchseiten recht dünn geraten ist. Aber der Schriftsteller sagt über sich selbst: "Ich fasse mich stets kurz, auf den Punkt kommend. Mir liegt kein langes Reden und wiederholtes Wiederholen." Und tatsächlich ist hier kein Satz zu viel oder zu wenig. Jedes Kapitel erzählt von einer anderen Episode aus Müllers Leben. Und der Psychotherapeuten und Pallottinerpater hat so einiges erlebt.

Eine Auswahl in Stichpunkten: 
- ein Gefängnisaufenthalt von 24 Stunden wegen unerlaubten Betretens der Fahrbahn 
- eine Durchquerung der algerischen Sahara 
- eine Begegnung mit einem Alligator 
- die Gründung der Heilenden Gemeinschaft 
- sein Kampf gegen die Behörden 
- und vieles, vieles mehr

Auf Um-, Ab- und Irrwegen gelangte Müller zu seinem Ziel. Erst Theologe und Lehrer, dann Therapeut und Flucht nach Tunesien, schließlich ein überwältigendes Berufungserlebnis und Eintritt in die Gemeinschaft der Pallottiner. Abenteuerliche Erlebnisse mit lebensgefährlichen Momenten sowie Begegnungen mit heilungssuchenden Menschen prägten sein Leben. Da kommt Langeweile während der Lektüre garantiert nicht auf. Zumal das Buch auch zu überraschen weiß, u.a. damit, dass Müller mit (einem) Oskar Lafontaine die Schulbank drückte oder als Schauspieler am Trierer Stadttheater auf der Bühne stand oder durch seine Arbeit bei Radio Piccolo Zarah Leander, Dieter Thomas Heck, Freddie Quinn und andere Stars der Schlager- und Filmbranche traf. Wer kann so etwas schon von sich behaupten?

67 Bücher sind von Jörg Müller im Laufe der Jahre erschienen. Und als Leser kann man nur hoffen, dass - trotz seines Autoren-Rentner-Daseins - noch viele weitere folgen werden. Denn deren Lektüre ist aufschlussreich, klug sowie wunderbar unterhaltsam. Diese sind ein Ratgeber durch die Tiefen des Lebens. Seine Autobiografie "Gerade noch mal gut gegangen" ist allerdings noch mehr: eine Aneinanderreihung von Anekdoten, amüsant und spannend und mitreißend erzählt. Solche (Sach-)Literatur gehört am besten in jedes Bücherregal. Denn mit dieser erfährt man ein Lesevergnügen, das einem noch lange nach dem letzten Satz in schönster Erinnerung bleibt. Doch der wahre Clou an dieser Lektüre: Aus Müllers Worten schöpft man Kraft gegen die Widrigkeiten des Alltags. Danke dafür!

Wollen Sie mal etwas anderes als Null-Acht-Fünfzehn-Autobiografien lesen, dann kaufen Sie unbedingt Jörg Müllers "Gerade noch mal gut gegangen. Wie Gott mich führte". Man liest die 88 Seiten mit immer größer werdender Begeisterung. Doch zwischen zwei Buchdeckeln wird es nicht nur launig, sondern vor allem tiefgründig. Was man hier in die Hände kriegt: ein Lesegenuss mit echtem Mehrwert, außerdem von einer Seltenheit, die auf dem Buchmarkt ihresgleichen sucht!

Anja Rosenthal 
27.07.2020

 
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Das Buch:

Jörg Müller: Gerade noch mal gut gegangen. Wie Gott mich führte

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Kiel: Lutherische Verlagsgesellschaft 2020 88 S., € 9,95 ISBN: 978-3-87503-255-0

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